Bericht: Thementisch „Regenerative Landwirtschaft“ bei der Mitmach-Schmiede am 23.05.2025

Thementisch „Regenerative Landwirtschaft“ bei der

Mitmach-Schmiede am 23.05.2025 im Deggenhausertal.

Bei einem der Thementische bei der Mitmach-Schmiede am 23.05.2025 im
Feuerwehrgerätehaus in Wittenhofen wurde die so genannte „Regenerative Landwirtschaft“
thematisiert, und zwar mit der ganz konkreten Ausgangsfrage „Was wollen wir im Deggenhausertal machen?“

 

Dazu ein Bericht von Bericht von Timm Cebulla (Tischmoderation):

Hier kannst Du den Bericht auch als PDF-Datei lesen und herunterladen:

2025-05-Bericht-Tisch-Landwirtschaft final

Bericht:
Thementisch „(Regenerative) Landwirtschaft – was wollen wir im Deggenhausertal?“

Der Thementisch knüpfte an:
• an den Dokufilmabend „Am weißen Faden“ (Thema Saatgut) im März 2025
• an den Dokufilmabend „Unser Boden, Unser Erbe“ im Januar 2025
• an den Thementisch bei der ersten Deggenhausertaler Mitmach-Schmiede im November
2024 „Wie sieht die zukünftige Landwirtschaft im Deggenhausertal aus?“
• an den Dokufilmabend „Ernte teilen“ (Thema SoLaWi) im Juni 2024
Es kamen viele neue Impulse dazu – gleichzeitig wiederholte und vor allem vertiefte sich die
Einsicht, dass Umweltaspekte einerseits und „Vermarktung“ (das Zusammenspiel von Produzent
und Verbraucher) anderseits zusammen angeschaut werden müssen. In anderen Worten: ökologische und ökonomische Aspekte gehen Hand in Hand – wenn das Handeln ökonomisch tragfähig ist, kann die Ökologie stärker miteinbezogen werden, und wenn es der Umwelt gut geht, lohnt sich das langfristig auch ökonomisch.

Bei der 1. Runde am Thementisch ging es um die Vorstellung des Projektes,
die zu klärenden Punkte und um unterstützende Ideen für das Projekt.

Der Projektgeber Norbert Steidle vom Biolandhof Steidle stellte die aktuelle Situation und die
Herausforderungen der Landwirtschaft vor – und lud die Mitdenkenden zudem ein, mögliche
ökonomische und ökologische Lösungsansätze zu reflektieren, und zu besprechen, wann und wie
und wo und mit wem diese im Deggenhausertal zeitnah umgesetzt werden könnten. Ganz nach dem Motto „Da muss Fleisch an die Sache“ (Nicht nur reden, sondern handeln).
Zum einen ist die ökonomische Situation für die Landwirte schwierig – für eine qualitativ gute Arbeit ausreichend Abnehmer zu einem ausreichenden Preis zu finden – zum anderen machen Wetterextreme mit stark verlängerten Trockenphasen einerseits und stark verlängerten Regenphasen bzw. Starkregenereignissen den Landwirten zu schaffen.

Norbert Steidle, der auch im Rahmen des Regenerate-Forums (https://de.regenerateforum.org) engagiert ist, zeigte auf wie wichtig es ist,
• gut mit dem Boden umzugehen, der bei entsprechender Bewirtschaftung und Bearbeitung
◦ enorme Mengen Wasser aufnehmen kann (statt weggespült zu werden und kaum Wasser
zu speichern). Selbst Ereignisse wie im Ahrtal mit mehreren hundert Litern Wassern pro
Quadratmeter binnen weniger Tage müssten nicht zur Katastrophe führen!
◦ kaum Zeiten hat, in denen er nicht begrünt ist – und somit vor Austrockung geschützt
wird
◦ viel CO-2 speichern kann
• alle möglichen gesellschaftlichen Gruppen miteinzubinden, weil neue Lösungen
◦ eine breite Unterstützung brauchen
◦ Landwirtschaft, Waldwirtschaft und Wasserwirtschaft gemeinsam betrachten müssen
◦ oft ungewöhnliche Kooperationen erfordern – also aus neuen Beziehungen und
Verbindungen entstehen

Die unterstützenden Fragen und Ideen, die am Thementisch durch alle Teilnehmenden bewegt
wurden:
• Es braucht eine ÖKONOMISCHE Perspektive für die Landwirte, damit diese fähig und
bereit sind, die nötige Arbeit zu tun, sich auf neue Herangehensweisen einzulassen (und ggf.
fortzubilden), sowie eine Schlüsselrolle für das ökologischen Wohl und für das Gemeinwohl
(Gesunde Lebensmittel, Schöne Landschaft, Gesunde Umwelt) einzunehmen
◦ nicht erst dann, sobald sich idealerweise die andere Bewirtschaftung für den Landwirt
„auszahlt“ (mehr Effektivität durch bessere Erträge und Arbeitsersparnis,
Katastrophenvermeidung)
◦ sondern schon von Beginn an (Finanzierung eines Mehraufwandes zu Beginn) → drei
Kanäle gibt es:
1. den Verbraucher/Bürger, der bereit ist einen guten Preis zu zahlen → das ist der
einzige Kanal, der zu selbsttragenden Systemen führt (statt in eine Abhängigkeit von
Geldgebern aus Industrie oder Politik)
2. Sponsoren aus Industrie (im Gegenzug Erwerb von CO-2-Zertifikaten) und aus
Privathaushalten
3. eine andere Subventionspolitik

Norbert Steidle erwähnte den „Wertschöpfungs-Rechner“ (vom Regenerate-Forum
gefördert), mit dessen Hilfe sämtliche Akteure berechnen können, welchen Mehrwert
Landwirte durch eine andere Bewirtschaftungsweise schaffen. Dieser zeige auf und
mache sichtbar, welche wirklich die bezahlbaren Produkte sind, die wir uns leisten
können – und welche nicht (weil sie Werte zerstören).

• Einbindung auch konventioneller Landwirte? → Ja, sind schon dabei!
• Neben den „kleinen idealisitischen Gärtnern“ braucht es auch „große Leuchttürme“ mit
Strahlkraft, die zeigen, dass es auch für alle funktionieren kann
• Es braucht teilweise neue Techniken bzw. technische Geräte, die gemeinschaftlich
eingekauft werden können, z.B. Kompostwender→ Eine Mitdenkende erzählt, dass ihr
Mann ein Gerät nutzt, das den Boden beim Pflügen nur minimal belastet und in einem Zuge
gleichzeitig die Saat ausbringt – bereits drei Tage nach der Bodenbearbeitung war schon
wieder eine wachsende Begrünung sichtbar.
• Es braucht neben dem „Bodenpraktiker-Kurs“ auch kleine, niederschwellige Kursangebote
für Leute/Landwirte, die sofort etwas (kleines, erstes) machen wollen – aus einem durchaus
großen Themenspektrum (z.B. auch Agroforst, Komposte)
• Es braucht ein Einbinden der Bürger, damit die Anonymität beendet wird – Bürger sollten
idealerweise wissen, wem welche Felder gehören und was dort gemacht wird – so werden
sie zu treuen Verbrauchern im Rahmen einer lokalen Vermarktung (und sie kaufen nicht
mehr nur das Billigtse im Supermarkt ein).

• Für die lokale Vermarktung ist auch interessant die ganze Wertschöpfungskette
anzuschauen, also auch die Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse
◦ Lavendel → Firma Sonett aus dem D-Tal braucht ätherische Öle
◦ Nüsse (ggf. innerhalb eines Agroforst-Systems) → Nussmuse, Öle
• Es gibt viele verschiedene Produkte/Bereiche und jeder ist anders:
◦ Lavendel
◦ Nüsse
◦ Eier → Selbstvermarktung läuft deutschlandweit gut, sagte eine Teilnehmerin
◦ Obstbauern → nochmal ein ganz eigenes Thema, aber für das D-Tal sehr relevant
◦ Grasrinder u.v.m.

Bei der 2. Runde am Thementisch ging es um „Ja, aber“ . Was gilt es zu hinterfragen und zu bedenken?

Das Verbraucherverhalten wurde kritisch angeschaut.
In Runde 2 waren interessanterweise vor allem Frauen als Mitdenkende am Tisch.
Nach einer Vorstellung der bisherigen Gedanken durch den Projektgeber kam einer Mitdenkenden
das Bild der selbst mähenden Rasenmäher in Gärten. Daraufhin wurde über das Mittel von Verboten
nachgedacht, also zum Beispiel Verbot von insektengefährdenden Mäh-Praktiken oder auch von
Stein-Gärten (also Gärten ohne irgendein Grün – die man v.a. in Städten beobachten kann). Auf
Gemeindeebene könnten hierfür politische Entscheidungen getroffen werden.
Der selbst mähende Rasenmäher war ein Bild für eine Bequemlichkeit der Menschen, die auch bei
der Frage nach dem Einkaufsverhalten eine Rolle spielt:
Warum kaufen alle (die Masse) im Supermarkt ein?
• Weil es günstiger ist
• Unwissenheit
• Bequemlichkeit

Das Thema Bildung muss größer gedacht werden, denn es gibt nicht nur eine Unwissenheit über
spezielle Themen wie Boden, sondern auch über Alltagsthemen wie gesunde Ernährung. Eine
Teilnehmer-Stimme zum Konsumverhalten der Menschen war: „Die Leute kaufen so viel Schrott !“
Das Thema Ernährung zeigt, dass Veränderungsbereitschaft (Zahlungsbereitschaft) des
Verbrauchers auch bei den ganz eigenen, individuellen, persönlichen Themen beginnt.
Die Wissensvermittlung muss schon bei den Schülern / Schulen beginnen. Oder auch bei den Kindergärten.
Der Weltacker in Überlingen als Bildungsort könnte ein wertvoller Ansprechpartner sein für
Kontakte zu Schulen etc.
Nicht nur neue Unterrichts-Inhalte, sondern auch ganz neue Unterrichts-Fächer bräuchte es.

Norbert Steidle sagt, jede/r müsste mal einen Tag lang einen Möhren-Acker hacken, dann würde
man keine einzige Möhre mehr verschwenden oder wegwerfen oder geringsschätzen.
Ein Teilnehmer meinte, man müsste Bauernhöfe zu Schulen machen! Das wäre das effektivste. Der
tägliche Kontakt zu Pflanzen und Tieren und den notwendigen Arbeitsschritten, Prozessen und
Kreisläufen der Natur wäre eine sehr gute Vorbereitung auf ein gesundes Leben.
Das Thema Lebensmittel-Wertschätzung: hierfür ist auch die Szene der Lebensmittel-Retter ein
guter Ansprechpartner und Multiplikator. Ein Teilnehmer kannte sich aus und hatte diesbezüglich
Kontakte nach Markdorf und Ravensburg.

Bei der 3. Runde am Thementisch wurden nächste Schritte überlegt, wie die Umsetzung mehr
Fahrt aufnehmen kann.

Einzelne Leuchttürme gezielt pushen und fördern – quasi alles umsetzen an einem Ort – um
sichtbare und erlebbare Ergebnisse zu schaffen, also einen Vorzeige-Hof, den man besichtigen und
besuchen kann.
Evtl. im Rahmen von Wettbewerben Preis-Verleihungen (mit Geldpreisen/Förderungen) als Anreiz
für Landwirte.

Bei der Wissensvermittlung für Landwirte den Fokus auf erfolgsversprechende Landwirtschafts-Konzepte legen → die Boden-AGs mit ca. 6 Teilnehmern können dafür ein guter Ort sein.
Gemeinwohl-Rechner weiterhin nutzen und fördern und verbreiten.

Kontakte und Netzwerk und Multiplikatoren nutzen für Bildung/Informationsverbreitung:
• Grundschule
• Weltacker Überlingen
• Lebensmittelrettung „foodsharing“

Norbert Steidle informiert über die Aktivitäten des Regenerate-Forums und die Modellregion
Bodensee und die Gemeinde Deggenhausertal als eine von zweien Pilot-Gemeinden (neben
Tettnang):
• Erster interner Runder Tisch für geladene Gäste / Interessierte wird organisiert (4.7.2025).
• Im September 2025 wird Regenerate im Gemeinderat vorgestellt.
• Im November 2025 werden die Bürger informiert.

Bürgermeister Fabian Meschenmoser besuchte in Runde 3 den Thementisch und hörte aufmerksam
zu. Auf den Impuls hin, ob Bürger nicht regelmäßig im Gemeindeblättchen über landwirtschaftliche
Themen informiert werden könnte, sagte er, dass auch an anderen Thementischen die
Grundsatzfrage aufkam „Wie kann ich Leute erreichen?“ … Die Gemeinde sei gut aufgestellt mit
dem Gemeindeblatt und auch auf Social-Media, die Erfahrung zeige aber auch, dass es vor allem
erst dann Sinn macht, diese Kanäle zu nutzen, sobald ein Projekt schon gereift ist und einen
gewissen „Background“ hat. Von einem Teilnehmer wurde angemerkt, das Menschen ja generell
von Informationen überflutet sind und gar nicht alles mitbekommen können.

Die abschließende Stimmung am Tisch war, dass viel Gutes schon läuft. Der Projektgebende sah sich bestätigt, dass er und das Regenerate-Forum auf dem richtigen Weg sind, und fühlte sich
dankbar dafür.

 

Herzlichen Dank für die Unterstützung und Förderung des Projekts “Mitmach-Region Deggenhausertal – eine ModellRegion” durch die Postcode Lotterie und die Mosterei Kopp.