Thementisch “Landwirtschaft” bei der
Mitmach-Schmiede am 22.11.2024 im D-Tal
Bei einem der Thementische bei der Mitmach-Schmiede am 22.11.2024 im Feuerwehrgerätehaus in Wittenhofen wurde das Thema „Wie sieht die zukünftige Landwirtschaft im Deggenhausertal aus?“ besprochen.
Hierzu ein Artikel von Timm Cebulla:
Beim Thementisch „Wie sieht die zukünftige Landwirtschaft im Deggenhausertal aus?“ tauchten
ganz ähnliche Fragen auf, die wir bereits beim Dokufilmabend “Ernte teilen” im Juni angeschaut
hatten. So war in den verschiedenen Gesprächs-Runden mit verschiedener personeller Besetzung einmal
der Fokus eher auf Umweltaspekten wie z.B. Bodengesundheit, und einmal der Fokus eher auf der
“Vermarktung” d.h. also auf wirtschaftlichen Aspekten für Produzent und für Verbraucher.
Tischgeber und Landwirt Norbert Steidle stellte ein EU-Kommissionspapier vor, das erst vor 2
Wochen veröffentlicht wurde – er hatte eine Zusammenfassung der 140 Seiten dabei: nach den
Bauernprotesten am Jahresanfang 2024 setzte die EU-Kommission einen „Strategischen Dialog“ in
Gang, an dem 29 führende Vertreter aus den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen
teilnahmen und das Thema Landwirtschaft und Ernährung breit diskutierten und aus verschiedenen
Perspektiven beleuchteten. Erfreulicherweise geht daraus hervor, dass sich die Subventionspolitik
ändern solle von Flächenorientierung hin zu einer Orientierung an der Personalstärke (was die
kleinen Strukturen stärken würde). Auch das Thema schonende Bodenbearbeitung sowie
Gründüngung und Agroforst kommen in dem EU-Papier vor.
Ein Teilnehmer fragte daraufhin kritisch, warum die EU es trotzdem nicht schaffe, Glyphosat zu
verbieten, wenn es ihr angeblich doch um eine gesunde Landwirtschaft ginge. Der Gesamtton am
Tisch war pragmatisch: „Nicht auf die EU verlassen – aber jede Chance nutzen!“
Besonders am D-Tal seien im Vergleich zur durchschnittlichen EU sicherlich die kleinen Strukturen.
Siegfried Kopp meinte zur große Frage, wo es hingehen müsse: „Es gibt kein Patent-Rezept für
alle.“
Einig war man sich am Tisch, dass es darum gehen müsse, Problem-Ursachen in den Blick zu
nehmen statt kostenaufwendige Reparaturen und Symptombehandlungen zu machen. Am
Beispiel Klimawandel hieße das, Bodenaufbau zu betreiben, die Bodendiversität zu erhöhen und
auch die Speicherfähigkeit von Feuchtigkeit mittels Agroforst-Konzepten. Denn auch übers Wetter
wurde gesprochen: Norbert Steidle sagte, dass sich trockene und feuchte Zeiten nicht mehr wie
früher alle 2 Wochen abwechseln, sondern nur noch alle 8 bis 12 Wochen.
Jean-Charles Roussel brachte das Thema SoLaWi („Solidarische Landwirtschaft“) ins Spiel und
nannte die Vorteile für die Umwelt: Die Ernte wird 100% aufgeteilt auf alle Mitglieder, nichts wird
verschwendet. Alles geschieht lokal und regional auf kurzen Wegen, es gibt keine langen
Transporte, und auch keinen Verpackungsmüll. Das Meiste ist saisonal, wodurch auch
Lageraufwand eingespart wird. Die lebendige Vielfalt an Kulturen, die in der normalen
Wirtschaftswelt quasi unmöglich ist, die aber von den SoLaWi-Mitgliedern gutgeheißen wird, ist
auch gut für die Artenvielfalt und Böden.
Eine solche Verbraucher-Erzeuger-Gemeinschaft schafft auch weitere Vorteile für beide Seiten: die
SoLaWi trifft einige Entscheidungen gemeinsam im Konsens, sodass gemeinsam das Beste für alle
erreicht wird. Ein faires, ehrliches Miteinander wird möglich durch kurze Wege, nahe Beziehungen,
und somit durch Transparenz, das Teilen von Fragen und Wissen. Es entsteht ein Geben und
Nehmen auf beiden Seiten. Der Verbraucher wird zum Mitbauer oder Vereinsmitglied – er legt sich
für ein ganzes Jahr fest, monatlich dem Erzeuger einen festen Betrag zu zahlen – und lebt im
Vertrauen, dafür etwas zurückzubekommen, was dem Wert seiner Zahlung entspricht. Dafür
bekommt er Lebensmittel, die wirklich gesund sind, über deren Herstellung er sich jederzeit
hautnah informieren kann, oder an der er sogar mitwirken kann. Sie sind maximal frisch dank der
kurzen Transportwege. Der Erzeuger profitiert dank der verbindlichen Abnehmer all seiner
Erzeugnisse von einer großen Planungssicherheit sowie von einer besonderen Lebensqualität, die in
Euro oder in Zahlen und Ziffern gar nicht messbar ist: er erlebt Wertschätzung und er weiß für wen
er arbeitet.
Für Norbert Steidle war ein wichtiger Punkt, dass er Klarheit von Verbraucher-Seite braucht, welche
Produkte gewünscht sind, und dass er sich nicht darum kümmern kann, kleine Portionen wie „5kg
Dinkel“ zu liefern, sondern dass er größere Abnahmemengen braucht.
„SoLaWi für lagerfähige Trockenprodukte“: Katharina Philipp sprach auch die Idee eines „Ess
Punkt“ an, die in der Corona-Zeit in der Überlinger Gegend umgesetzt wurde: Bürger kümmern
sich um einen gemeinsamen Einkauf von Großmengen direkt bei den Erzeugern, der „Ess-Punkt“
ist ein zentraler Umschlagsplatz bzw. eine Verteilstelle für alle, die mitmachen.
Ein Teilnehmer fand die Idee von Norbert Steidle gut, ein spezielles neuartiges Fahrzeug („Dyna
Drive“) einzusetzen, welches das Bodenleben schont – mit solchen Vorzeigeprojekten könne man
auch Touristen anlocken und an diese dann auch gleich die Erzeugnisse vermarkten.
Weitere Punkte und nächste Schritte:
• Bei Norbert Steidle am Hof sei ein Eventraum geplant.
• Siegfried Kopp kümmert sich mit dem Förderverein um eine Broschüre „Landwirte im Tal“
nach dem Vorbild der Broschüre „Wirte im Tal“.
• Die Erweiterung des freitäglichen Wochenmarktes wurde auch kurz angerissen – man müsse
bedenken, dass die Nachfrage begrenzt ist – man könne froh sein, dass die jetzigen Stände
da sind.
Die spannenden Fragen rund um das Thema Landwirtschaft, die uns auch weiterhin begleiten
werden, hier zusammengefasst:
* wie ein Preis für ein gesundes Lebensmittel entsteht, der bezahlbar für jeden
Verbraucher ist, und der gleichzeitig auskömmlich für den Erzeuger ist (d.h. der Existenzen sichert,
auch kleine Strukturen wie im D-Tal).
* was überhaupt ein gesundes Lebensmittel ist – gesund für den Verbraucher, für den
Erzeuger, und für Tiere, Pflanzen und Boden.
Um Antworten zu finden, das zeigte sich am Mitmach-Schmiede-Abend, braucht es einen möglichst
breiten gesellschaftliche Dialog, nicht nur auf EU-Ebene von hochrangigen Vertretern, sondern hier
im D-Tal vor Ort, insbesondere natürlich auch direkt zwischen Erzeuger und Verbraucher. Der
Erzeuger muss wissen, was die Verbraucher wünschen, und die Verbraucher wollen wissen, wie der
Landwirt arbeitet, mit welchen Herausforderungen er zu tun hat, und was er braucht. Es geht also
um Kommunikation, um Transparenz, um Einblick, und letztlich um Vertrauen und Miteinander.
Damit sich viele Akteure und Betroffene in solch einen Dialog einbringen, tauchte auch die Frage
auf, was noch passieren muss, damit noch mehr Menschen Interesse daran (sowie an alternativen
Wirtschaftsmodellen und Vermarktungskonzepten) haben, und dieses Interesse auch nachhaltig
beibehalten (nicht nur in akuten Krisenphasen à la Corona ein Interesse haben, sondern dauerhaft
mit den Erzeugern verbunden bleiben). Zumindest Teil der Antwort war, dass Bequemlichkeit und
der eigene Geldbeutel die Knackpunkte sind: “Der Mensch lernt durch Schmerz” bzw. “Not macht
erfinderisch”. Wenn das Gewohnte immer teurer und immer schwieriger wird, wird es umso
attraktiver, sich Neues zu überlegen.