Die Kunst der Reparatur

Buchbesprechung

„Nimm dir Zeit!“ So lautet eine der Forderungen, die Wolfgang Schmidbauer in seinem Buch “Die Kunst der Reparatur“ aufstellt. Sich Zeit nehmen, um die Dinge zu pflegen, sie zu reparieren, vor dem Kaufen überlegen, ob wir etwas überhaupt brauchen und wenn ja, ob das, was wir im Auge haben, reparierbar oder in einem nicht zu öffnenden Kunststoffgehäuse verschweißt ist.

Diesen Gedanken der Pflege und der Reparatur weitet Schmidbauer, mit dem Blick des Psychologen und Psychotherapeuten, auch auf Freundschaften, Beziehungen, Partnerschaften aus. Nimm dir Zeit und wirft nicht gleich eine Freundschaft oder gar eine langjährige Partnerschaft über den Haufen, nur weil sie (gerade oder auch schon länger) nicht funktioniert, so seine Forderung.

„Mach ich dich unabhängig!“ So könnte ein zweiter Satz lauten. Schmidbauer zeigt auf, wie sehr wir abhängig geworden sind, weil uns wichtige Fähigkeiten und Fertigkeiten fehlen, weil Jugendliche keinen Fahrradschlauch mehr flicken können, weil die Technik oftmals hochkompliziert geworden ist und wir für alles Mögliche Experten brauchen.

Detailliert erzählt er von seinen eigenen Wegen, Dinge wieder zum Funktionieren zu bringen. Bei manchen Beschreibungen fehlt mir als Leserin das technische Verständnis, doch dass er mit einer Lüsterklemme den alten VW wieder zum Fahren gebracht hat, fasziniert mich dennoch. Während sich Schmidbauer auf dem Gebiet der Elektrik bestens auskennt, gibt er zu, dass für ihn die Nähmaschine immer fremd geblieben ist; da kann ich nun wiederum punkten. Das hat sicherlich auch mit unserem jeweiligen Lebensalter zu tun. Wie er schreibt, setzte sich in den 50er Jahren kein Junge an eine Nähmaschine, während das für mich selbst am Gymnasium in den 70ern selbstverständlich war. Leider sind diese praktischen Fächer fast ganz verschwunden. Wer kann noch einen Flicken auf eine Jeans setzen, einen Saum einfassen, einen Knopf annähen?

Das Buch lädt mit seinen 16 Kapiteln ein, sich wieder auf den Weg zu machen, nachzudenken, sich neue Fertigkeiten anzueignen und mit dem Unperfekten – das jenseits der polierten Internetwelt und den Forderungen der Konsumgesellschaft durchaus seinen Charme hat – zu leben. Denn der Perfektionismus hat, so schreibt Schmidbauer, eine destruktive Seite: Was einen Kratzer hat, wirft man weg, eine Freundschaft, die einen Knacks bekommen hat, wird kurzerhand beendet, was nicht mehr der neusten Mode entspricht, wird entsorgt, auch wenn es noch wie neu ist.

Dabei bietet der Umgang eben gerade mit dem Unperfektem, dem Zerbrochenen, Nicht-mehr-Funktionierendem enorme Möglichkeiten, die eigene Kreativität zu entdecken, die handwerklichen Fertigkeiten zu entwickeln und den Blick für das Brauchbare zu schulen:
„Dieser Blick, der das seltene Brauchbare zwischen angehäuftem Unbrauchbaren findet, verkümmert, sobald wir bei Amazon bestellen; auf dem Flohmarkt können wir ihn noch üben.“ (81) Etwas später heißt es: „Eine dauerhafte Motivation, anders mit uns selbst und der Umwelt umzugehen, werden wir nur auf Wegen finden, die wir mit Freude gehen, weg von den banalen Gewohnheiten der Konsumgesellschaft, die Abhängigkeit von Geld und Experten produziert.“ (89)

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