Ein wunderbares Buch von Silke Helfrich, die leider viel zu früh verstorben ist und David Bollier, das für mich eine Sicht auf die Dinge ermöglicht, die ich schon lange gesucht habe. Peter Schillinski hat mein Verständnis von Sozialer Dreigliederung geprägt, der die Idee der sozialen Dreigliederung ins Menschliche hob. Selbsterkenntnis, Menschenkenntnis, Liebe und Interesse am Anderen.
Ein weiterer Schritt wurde durch Hildegard Kurt gesetzt: Wachsen, das Geistige in der Nachhaltigkeit und Die neue Muse, beschreiben für mich die weitere Schritte. Sie füllen die Ideen von Peter mit Leben und formulieren es etwas tiefer ins Sinnliche, ins Geistige. Sie zeigen Wege in die Zukunft auf.
Und mit dem Buch von Helferich und Bollierr nun tun sich für mich weitere Handlungsfelder auf…
Das geschieht dadurch, dass Helfrich/Bollier eigentlich nichts anderes tun als genau hinzuschauen und Muster erkennen, die ein gelingendes Miteinander möglich machen. Hier sind die Prinzipien von Gemeinwohl, Gleichheit, Freiheit, Kooperation, Ichselbst und Gemeinschaft beobachtet worden und werden beschrieben, durch die Formulierung von Mustern.
Commons verstehen sie dabei als soziale und selbstorganisierte Prozesse zwischen Gleichrangigen.
Aber eigentlich beschreiben Sie das, was passiert, wenn wir uns bemühen in Gemeinschaften oder allein dieser „möglichen, besseren Welt“ näher zu kommen.
Für mich beschreiben sie das, was Menschen tun, wenn sie achtsam und aufmerksam in Verbundenheit mit allem umgehen. Dabei werden keine Handlungsanweisungen gegeben, auch wenn das so wirkt.
Die Triade des Commoning (siehe den Link zur Grafik ganz unten) erzeugt in mir eine Assoziation zur Sozialen Dreigliederung. Dabei sind die Muster freibleibend, im jeweiligen Kontext zu verstehen, veränderbar und erweiterbar. Jede*r kann dazu beitragen, hier etwas weiter zu entwickeln. Ich verlasse das Modell, die Prinzipien und gehe mit einem bewußten Ich in den sozialen Organismus. Ich lebe darin und der Organismus wird für mich erlebbar/lebbar.
Mit dem Begriff Commoning beschrieben sie einen „offener Prozess, in dem Menschen situationsspezifische Formen bewusster Selbstorganisation durch Gleichrangige erkunden und verwirklichen. Sie entwickeln zugleich Formen, um selbstbestimmt Nützliches und Sinnvolles für sich und andere zu schaffen und bereitzustellen. Commoning geschieht, wenn Menschen eigenständig entscheiden, was sie brauchen, wenn sie unter Rücksichtnahme aufeinander ihre Bedürfnisse befriedigen, gemeinsame Vermögenswerte bewirtschaften und ihre Angelegenheiten regeln. Sofern sie dabei auf situiertes Wissen zurückgreifen, stärkt dies ihre kreative Handlungsfähigkeit und die Kompetenz, Lösungen zu entwickeln, die ihnen fair und effektiv erscheinen. Commoning beinhaltet, mit Mehrdeutigkeiten und Unsicherheiten zu leben.“
„Die Macht des Commoning ist nicht auf zwischenmenschliche Beziehungen in überschaubaren Gruppen beschränkt, sie wirkt auch in der gesamtgesellschaftlichen Organisation.“
Hier wird die soziale Dreigliederung tief erfasst und die Prozesse abgebildet. Das bedeutet aber natürlich, dass die einzelnen der 28 Muster geübt werden müssen, wie in einer gemeinsamen Meditation. Welch ein Genuss.
Ein Beispiel: „Wenn Konflikte entstehen, können die Lösungen schrittweise umgesetzt werden, so dass immer wieder eine offene, transparente Auseinandersetzung über den Konflikt erfolgen kann. Eine beliebte und einfache Technik, dies zu tun, ist der Kreis (Runde Tische sind nicht umsonst Teil unserer politischen Geschichte!): Im Kreis – wir haben das mit mehr als hundert Menschen erlebt – kann eine problematische Situation bzw. ein problematisches Verhalten besprochen werden. Die Kunst besteht darin, allen das Recht einzuräumen, gehört zu werden, Zeugnis abzulegen und Änderungen vorzuschlagen – und gleichzeitig über das wahrgenommene Problem und seine Wirkungen offen zu reden. Das bedeutet nicht, dass alle reden müssen, aber es gibt die Möglichkeit, dies zu tun. So wie beispielsweise in den »Kreisgesprächen« von Mitgliedern des venezolanischen Kooperativenverbandes Cecosesola: Wenn man diese verfolgt, kann es angenehm verwundern, wie »Beschwerden« über Einzelne in einen Kontext von Wertschätzung eingebettet sind. Nach anstrengenden Reflexionen und dem Abschluss des Kreisgesprächs kommt es vor, dass »die Beschuldigten « von Einzelnen in den Arm genommen werden. Diese Gespräche sind trotzdem überaus schwierig, denn sie sind Ausdruck komplexer zwischenmenschlicher Konflikte und daher mit tiefen Emotionen verbunden – und doch signalisieren die Beteiligten durch ihre Wortwahl und die Umarmung am Ende ihre Wertschätzung.
Die Fähigkeit, ehrliche Kritik mit Respekt und sogar Zuwendung zu verbinden, fällt nicht vom Himmel. Sie muss eingeübt werden. Vielleicht beginnt es damit, dass Eltern ihren Kindern auch dann einen Gute-Nacht-Kuss geben, wenn ein Streit vorausgegangen ist. Der Konflikt – so die Botschaft – ist es nicht wert, durch die Nacht getragen zu werden.“ Da bin ich wieder bei Peter Schilinski: Im Streit das Positive im Anderen zu sehen.
Dieter Koschek
Silke Helfrich&David Bollier, Frei, fair und lebendig, Die Macht der Commons, transcript, April 2019, S. 450,
Das Buch gibt es auch als freier Downlaod https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-4530-9/frei-fair-und-lebendig-die-macht-der-commons/