Bürgerwissen Regionalplan – Soll das etwa unsere Zukunft sein?

Die Fortschreibung des Regionalplanes Bodensee-Oberschwaben ist eine ganz große Sache

-  die leider viel zu wenig Beachtung in der Bevölkerung findet. Die Beschäftigung damit  ist nicht lustig und nicht amüsant - doch es betrifft die Zukunft unserer Region. Um nachhaltigen Schaden zu vermeiden,  müssen wir uns damit befassen. Notgezwungen.
Denn hier werden die Weichen der Entwicklung (der Region ) auf lange Jahre hinaus gestellt.

Der Regionalverband selbst hat vermutlich kein Interesse daran, die Sitzungen groß zu bewerben. Denn Wissen und darauf aufbauende Einmischung der Bevölkerung kann für ihn nur eines bedeuten:  dass alles viel komplizierter und schwieriger wird, was in der kleinen, kuscheligen Bürgermeisterblase so einfach erscheint. (Über 50%  der Teilnehmer sind Bürgermeister, Landräte etc. )

 

Der größte Mangel der Fortschreibung ist so markant, dass man ihn  schon glatt wieder übersieht: Es fehlt ein gültiger Landschaftsrahmenplan.

Um die Bedeutung des fehlenden Landschaftsrahmenplanes zu beurteilen, möchte ich auf diesen Link aufmerksam machen:                 https://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/themen/landschaftsplanung/bw_lrp.pdf

Daraus geht hervor: In Baden-Württemberg wurden die ersten Landschaftsrahmenpläne bereits 1975/76 !  in Kraft gesetzt.
Heute - 45 Jahre danach - hat der Regionalverband Bodensee-Oberschwaben immer noch nicht die gesetzliche Vorgabe erfüllt.

 

Das Aktionsbündnis Salem schrieb deshalb erst vor Kurzem hilfesuchend an das Regierungspräsidium:

"Nach unserer Auffassung hat die vom Regionalverband vorgelegte Planung diverse Mängel, darunter auch einen fundamen­talen Formfehler. Verantwortlich für diesen Formfehler  ist der fehlende Landschaftsrahmenplan innerhalb der Fortschreibung des Regionalplans und die so­mit fehlende Gesamtabwägung. Diese ist jedoch vom Gesetzgeber gefordert. Laut BNatSchG § 9 sind vollständige Angaben über den vorhandenen und zu erwartenden Zustand der gesetz­lichen Schutzgüter (§ 1) zu machen, eine Konfliktanalyse durchzuführen und Entwicklungs­ziele für die Schutzgüter zu erarbeiten. Aus den Einzelzielen ist eine schlüssige Zielkonzep­tion zu erarbeiten, d. h. die Einzelziele sind gegeneinander abzuwägen und ggf. sind Prioritä­ten zu setzen. Die Ziele sind bei der Regionalplanung zu beachten und Abweichungen zu begründen (§ 9 (5) BNatSchG).

D.h. solange keine eigenständige Landschaftsrahmenplanung mit einem abgestimmten Gesamtkonzept vorliegt, fehlt die wichtigste Abwägungsgrundlage und die Fortschreibung der Regionalplanung ist formfehlerhaft. Die vom Regionalverband im Zuge der Landschafts­rahmenplanung in Auftrag gegebenen Fachbeiträge nur für Umweltgüter sind hierfür nicht ausreichend. Da der Landschaftsrahmenplan erst durch die Übernahme in die Regional­planung seine Rechtsgültigkeit erhält, erscheint eine Aufstellung nach der Fortschreibung widersinnig. Die Erstellung des Landschaftsrahmenplans ist eine der Kernaufgaben der Regionalplanung, weshalb wir der Ansicht sind, dass sein Fehlen die Rechtsgültigkeit der Fortschreibung infrage stellt."

Lange Rede, kurzer Sinn: Es ist Gesetzlich festgeschrieben, dass zuerst eine umfassende Bestandsaufnahme und Bewertung der Landschaft erfolgen muss, um daraus Schutzziele aller Umweltgüter abzuleiten. Erst danach kann es unter Berücksichtigung  der Schutzziele zu einer Planung kommen.

Wenn man natürlich Schritt eins planerisch  gleich mal weglässt, und nur bißchen allgemeingültigen Text am Anfang formuliert, dann stehen die Chancen gut, dass man Manches doch noch durchgedrückt kriegt, bis der Fehler irgendwann später auffällt.

 

Wir sollten alle kritisch beobachten wie die übergeordneten Regierungsstellen mit dem Fehlen gesetzlicher festgeschriebener Anforderungen umgehen.

Andere Regionalverbände sind schon wesentlich fortschrittlicher eingestellt und bekennen sich  auch jetzt schon aktiv zum Klimaschutz.
Der Regionalverband Bodensee-Oberschwaben hingegen duckt sich aus der Verantwortung und macht grundsätzlich gerade mal das, was zwingend vorgeschrieben ist. Lieber noch bißchen weniger wie eben das Beispiel Landschaftsrahmenplan zeigt - vielleicht geht’s ja trotzdem durch ….
" Setzen - ungenügend, Note 6" würde der Lehrer da sagen.

„Dem vorgelegten Konzept fehlt eine Vision, wie die Region Bodensee-Oberschwaben in den nächsten Jahrzehnten eine Struktur aufbauen kann, die auf einer klima- und generationengerechten Grundlage dem Gemeinwohl dient“, sagte  Anna Viktoria Pröbstle, neue grüne Mandatsträgerin aus dem Landkreis Sigmaringen schon im Dezember 2019.

 

Ich habe ja schon früher Einiges zu den Protesten in Salem geschrieben, über den wahnsinnigen Flächenverbrauch und die ungebremste Überbauung landwirtschaftlich bester Böden. Über die Aufhebung von Schutzgebieten, weil man da jetzt halt bauen will.

Der ungebremste Flächenverbrauch durch Gewerbegebiete ist bei weitem nicht der einzige Problemfall - auch der Kiesabbau frißt große Flächen. Der Altdorfer Wald soll geplündert werden

Es wurden tausende von Einwände abgegeben und einer der gewichtigsten Punkte ist der Kiesabbau in Oberschwaben. Das Kapitel "Rohstoffe" wurde extra vorgezogen, da hier zurecht  mit großem Konfliktpotential gerechnet wurde. Aber vermutlich hat der Protest die Erwartungen noch bei weitem übertroffen.

Der Regionalverband argumentiert mit dem fehlenden Kies.

Die Landschaftsschützer halten dem entgegen, dass 1/3 der geförderten Mengen ins Ausland exportiert werden, nämlich  nach Voralberg und der Schweiz. Dort versucht man zur Zeit  tunlichst die  eigenen Vorkommen zu schonen.

Zudem wird die Frage gestellt ob eine höhere  Recycling-Quote nicht große Abbauflächen überflüssig machen könnte.  Wäre diese Frage nicht möglicherweise ein Hinweis auf eine zukunftsweisende Aufgabe des Regionalverbandes?

Da man sich aber lieber auf neue Abbauflächen einschießt im Verband (das hat man halt schon immer so gemacht), deshalb wird im Altdorfer Wald, dem  größten zusammenhängenden Waldgebiet in Oberschwaben, ausgiebig geplündert.

 

Das Bild zeigt das geplante Kiesabbaugebiet Vogt-Grund als Panorama mit Skizzierung des Waldburger Rückens, Wasserschutzgebieten gem. Gutachten und Kiesgrubenneuerschließung

Die Bürgerinitiative  NATUR - UND KULTURLANDSCHAFT ALTDORFER WALD e.V.  stellt seine Fakten vor:
  • Der Kiesabbau in Schlier (Bestand 27 ha) soll um 10 ha erweitert werden mit der Option von zusätzlichen 16 ha Ausweisung. Der Kiesabbau wird somit über 50 ha einnehmen = 80 Sportplätze
    Die Abholzung von über 25.000 Bäumen und ein Verlust an Wasserspeicher von 80 Mio Liter wird billigend in Kauf genommen.
  • Der Kiesabbau in Baindt (Bestand 10 ha) soll um  8 ha erweitert werden mit der Option von zusätzlichen 17 ha Ausweisung. Der Kiesabbau soll somit  35 ha einnehmen = 50 Sportplätze
    Die Abholzung von über 20.000 Bäumen und ein Verlust an Wasserspeicher von 75 Mio Liter wird billigend in Kauf genommen.
  • Noch dramatischer ist die Plünderung des Waldburger Rückens, einer geologische Einmaligkeit mit potentiellen Trinkwasserquellen für 100.000 Menschen, die momentan teilweise genutzt werden. Obwohl keine besondere Qualität als Kiesbauvorkommen erkennbar ist wurde dem Antrag eines Kiesbauunternehmens stattgegeben, aus einem Ausschlussgebiet wurde quasi über Nacht ein Vorranggebiet gemacht.
    11 ha Kiesabbau  im Höhenzug mit einer Abbautiefe bis zu 100 m (nur 2 m über dem Grundwasserspiegel) wird mitten in Wassereinzugsgebiet billigend in Kauf genommen.

Als Antwort auf die wenig zeitgemäß anmutende anmutende Planung des Regionalverbandes stellen die Landschaftsschützer ihre Vision vor:
Die ökologische Verknüpfung von vielen kleinen und verstreuten Schutzgebieten ( hoher Anteil an FFH-Gebieten ) soll durch die Schaffung von großräumigen, verbindenden Landschaftselementen in Form eines gesamtheitlichen Landschaftsschutzgebietes „Altdorfer Wald“ erhalten, aufgewertet und wesentlich verbessert werden.

Kiesgrubenneuerschließungen wie z.B. in Vogt-Grund, Schlier und Baindt bewirken genau das Gegenteil und beeinflussen diese Schutzgebiete negativ. Sie wären somit tabu.

Der Filmemacher Alex Knor hat ein interessantes Video zusammengestellt, Link zum Video: youtu.be/Mmp8FEuKCsc .

Webseite altdorferwald.org/ . Hier finden Sie aktuelle Informationen zum Thema Altdorfer Wald, Petitionsunterlagen und Unterschriftenlisten.

 

Der Transport soll laut Regionalplan über bestehende Kreis- und Landstraßen durch kleine Orte hindurch erfolgen.

Da schließt sich auch wieder der Kreis zu Salem, das kennen wir doch!  Denn die in Salem geplanten ca. 30 ha  an Vorrangfläche für Gewerbe und Industrie  sollen ebenso über das bestehende Straßennetz erschlossen werden.

 

Dazu noch ein Auszug aus dem Schreiben des Aktionsbündnisses Salem:

Verkehrssituation

Im Zuge der Planung zur Fortschreibung des Regionalplans beantragte die Verwaltung von Salem (ohne Gemeinderatsbeschluss) die Verlegung der Landesentwicklungsachse über Sa­lem. Diese sogenannte Entwicklungsachse Ravensburg – Überlingen über Salem ist jedoch, anders als im Regionalplan dargestellt, verkehrstechnisch keine durchgehende, leistungsfä­hige Achse.

Ertüchtigung der Bahnlinie

Wir begrüßen ausdrücklich die Zielsetzung, zukünftige VRG am bestehenden Schienennetz zu entwickeln, um so eine Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene zu erlan­gen, insbesondere als in Salem überwiegend Produktions- und Logistikbetriebe mit erhebli­chem Gütertransport angesiedelt werden sollen. Ausdrücklich möchten wir aber darauf hin­weisen, dass dieses Ziel in Salem nicht erreicht werden kann. Das bestehende Schienennetz wird weit über den Zeitpunkt der Fortschreibung hinaus (sprich 2035) nicht die für eine ent­sprechende Leistungsfähigkeit nötige Zwei­gleisigkeit aufweisen. Weder im Plangebiet noch in der Anbindung nach außen (Pfullendorf, Sigmaringen, Stuttgart etc.) ist hier mit einer zeit­nahen und effektiven Lösung für den Güterverkehr zu rechnen.

Die Ausweisung des VRG in Salem ohne Anbindung an ein Schienennetz, das für den Güter­verkehr nur unzureichend entwickelt werden kann, wird nicht zu einer Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene führen. Da Salem auch über keine leistungsfähige Straßenanbindung des Gewerbegebietes verfügt, wird das zwangsläufig zu einem höchst umstrittenen Straßenneubau führen.

Ortsumfahrung Bermatingen Neufrach

Auch die Planer im RVBO scheinen sich der eingeschränkten Leistungsfähigkeit der beste­henden Schienen- und Straßenanbindung durchaus bewusst zu sein. So wurden die OU Bermatingen und Neufrach, obwohl nicht Bestandteil des BVWP und 2015 aus dem Impuls­programm des Landes gestrichen, als Vorschlag in den Textteil der Fortschreibung aufgenom­men. Dieses Vorgehen steht für uns im Widerspruch zu § 2 ROG Abs.2 Nr.6: „Die erstmalige Inanspruchnahme von Freifläche für Siedlungs- und Verkehrszwecke ist zu verringern, insbesondere durch […] Entwicklung vorhandener Verkehrsflächen.“

 

Abbildung 3: Eigene Darstellung auf Grundlage Open Street Map

Auch wird Salem nicht an die geplante Hinterlandtrasse der B31neu angeschlossen, da die zukünftige Ortsumfahrung Bermatingen-Neufrach nicht nach Westen in Richtung Überlingen weitergeführt wird, sondern im Salemer Industriegebiet endet. Das hat zur Folge, dass der Verkehr von und nach Überlingen über Landesstraßen oder Gemeindestraßen und somit durch die Nachbar- und Teilorte Salems geführt werden muss. Die Entfernung des Industriegebiets zur zukünftigen B31 (Anschluss südwestlich von Ittendorf) beträgt 9 km. Die Entfernung von Neufrach nach Überlingen über die Landesstraße via Mühlhofen beträgt 13 km, über die ge­plante OU Neufrach-Bermatingen jedoch 25 km. Die kürzeste und derzeit schnellste Strecke mit 12 km bleibt immer noch die über das Hinterland durch Neufrach, Mimmenhausen, Ste­fansfeld, Tüfingen und Deisendorf. In den Salemer Teilorten sind aber gerade diese Durch­fahrten bereits extrem belastet. Einen Vorgeschmack auf die geplante Entwicklung erhalten die Bürger regelmäßig bei Sperrungen der B31 aufgrund von Bautätigkeiten, bei denen dann die Ausfahrt aus den Hofeinfahrten schon zum Wagnis wird.

 

Nun kommt es auf uns alle an: Lassen wir es zu, dass in Zeiten des drohenden Klimakollapses völlig aus der Zeit gefallene Planungen, die noch nicht einmal gesetzliche Standards erfüllen, abgesegnet werden? Wir müssen die Folgen davon tragen und unsere Kinder noch mehr.