Bericht über den Wirtschaftskonzil in Konstanz von Dieter Koschek

Der Jan Hus Impuls lebt!

Auf dem Konstanzer Wirtschaftskonzil (30.4.15) wurde die Geschichte des Konstanzer Konzils 1414-1418 stark strapaziert. Die Veranstaltung fand ja auch im historischen Gebäude am Konstanzer Hafen statt und die Imperia von Günter Lenk lässt uns an der Hafeneinfahrt mit dem Katamaran grüßen. Rund 600 Vertreter der Wirtschaft der Region Bodensee, darunter etwa 270 schweizer Gäste, meist im dunkelblauen oder schwarzen Kostüm/Anzug schritten zur Vernetzung in unserer Region.

Ich (im roten Pulli) nahm teil, weil auch Christian Felber angekündigt war. Wolfgang Himmel von translake gmbh meinte, der Reformator Felber habe freies Geleit zugesichert bekommen und werde sicher nicht verbrannt werden. Dieser historische Hinweis war sicher lustig gemeint, aber es soll nicht vergessen werden, dass Christian Felber aus der österreichischen Wirtschaftskammern der Vorwurf „Kommunist“ gemacht worden war. Damit sollte Angst vor dem Reformator (und Angst vor Zusammenarbeit mit ihm) geschürt werden, denn mit Kommunismus wird allgemein Diktatur und Verfolgung gleichgesetzt – und nicht das gute Leben aller Menschen in einer Welt!

In seinem Impulsreferat machte Christian Felber denn auch gleich auf den Grundwiderspruch der Veranstaltung aufmerksam. In anderer Foren und auch in der Rede des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kretschmann war vorrangig die Rede von Standortsicherung in der leistungsstarken Modellregion Bodensee. Felber verdeutlichte, dass dieses Ziel bedeutet, dass andere Regionen Konkurrenten sind und abgehängt werden sollen. Das hier der Wettbewerb und Konkurrenz gefröhnt wurde und nicht von einem zukunftsfähigen Modell die Rede sei. Wer Wachstum und Konkurrenz fördere, der wolle die Zerstörung der Konkurrenz. Von einem ökologischen und sozialen Wirtschaften in einer begrenzten Welt war hier nicht die Rede. Felber war der Reformator auf dem Wirtschaftskonzil, das ansonsten die geballte Wirtschaftsmacht mit dem Denken „Mehr vom Alten „ repräsentierte.

In dem zuvor genannten Forum „Innovation als Zukunftssicherung im Bodenseeraum“ wurde das besonders deutlich. „Wir“ müssen immer schneller bessere Innovationen hervorbringen um auf dem Weltmarkt zu bestehen. Verglichen wurde das Bruttosozialprodukt der Region Bodensee mit dem (Chemie-)Standort Basel und dem (Finanz-)Standort Zürich. Die Bodenseeregion ist hier auf dem dritten Platz mit 11900 € pro Person. Warum wird sehr schnell deutlich, wenn wir uns die vorgestellten Konzerne Leico Geosystems AG und Würth vor unsere Augen stellen. Beide sind Teil weltweiter Konzerne. Der Bodensee ist aus meiner Sicht nicht nur idyllisch, sondern auch der Standort weltweiter Konzerne. Neben den genannten haben wir noch die Zeppelinwerke, die MTU, EADS, Continental und weitere. Von der Waffenschmiede Bodensee wollen wir dabei noch gar nicht reden. Diese industriellen Komplexe messen sich an dem Aktienkurs und der Rendite ihrer Eigentümer. Als Ziel von Unternehmertum gilt hier der Fortschritt, das Wachstum als Grundlage des Lebenstandarts.

Enttäuscht aber mit geöffneten Augen verließ ich dieses Forum, das auch in der Form von schnellredenden Männern leistungsorientiert mit busisnessenglischen Ausdrücken moderiert wurde und fern von jeglichen menschlichen Werten sich befand.

Hier traf sich die geballte Wirtschaftsmacht, bestens vernetzt mit ihren Statthaltern in der Politik und ihren Höflingen, den Beratern und Marketingfachleuten, dabei die Forschung und Lehre der Universitäten bestimmend. Die Hochglanzbroschüren der Marketingabteilung erzählen davon und verschleiern gleichzeitig meine Augen durch die Abbildung von Wohlstand, Sicherheit und Lebensqualität. Auch ich soll egoistisch auf mein Wohl schauen und die Wertelosigkeit nicht wahrnehmen und das Elend dieser Welt (eine Milliarde Mensch hungern!) als natürlich akzeptieren.

Jean Ziegler nennt diese Ziel in seinem neuen Buch (Ändere die Welt) das homogenisierte Bewußtsein. Vielleicht ist da die 88prozentige Zustimmung der RohrschacherInnen zum Bau des GlasPrachtpalastes der Würthgruppe direkt am Bodenseeufer ja Ausdruck davon.

Anders das Reform Forum am Nachmittag: Christian Felber öffnete mit seiner Rede die Herzen und auch Tränen vor Empathie standen in den Augen. Er stellte die Wirtschaft als Diener der menschlichen Gesellschaft in einer begrenzen Ökosystem dar und damit an den richtigen Platz. Die Gemeinwohlökonomie mit dem Meßinstrument „Gemeinwohlbilanz“ hilft allen denkenden UnternehmerInnen, aber auch Bildungseinrichtungen und Kommunen den Weg der Gemeinwohlorientierung zu gehen und sich dabei zu entwickeln. Wie Felber betonte, der Weg, den alle Verfassungen der Welt fordern und fördern wollen. Das Wohl der Gemeinschaft muss das Ziel sein und daran wird die Wirtschaft gemessen. Alle Teil der Weltwirtschaft eben auch weltweit. Die universelle Komplexität lässt sich an zwei Vorgängen verdeutlichen. Während die Textilindustrie der Region Rheintal sich nach Asien verlagerte und die dortigen Verhältnisse regelmäßig Katastrophen hervorrufen, bestellte Amal Cloony ihr Hochzeitskleid beim St. Galler Unternehmen. Uns der Snobismus der westlichen Welt. Den anderen die Hungerlöhne und Ausbeutung.

Das Reformforum hatte dann auch gottseidank ein anderes Format. 16 Reformatoren und Reformatorinnen luden zum Gespräch ein, so dass erstmal die rund 100 Teilnehmer selber aktiv wurden und ins Gespräch miteinander und mit den ReformatorInnen kamen. Das Forum wurde somit zur hochheiligen Pause, in der das hauptsächliche eines solchen Treffens stattfindet: es wurden Kontakte geknüpft, Fragen vertieft, Projekte vorgestellt und weiter gesponnen.

Die ReformatorInnen waren schnell verortet: im wesentlichen waren es UnternehmerInnen, die eine Gemeinwohlbilanz erstellt haben. Antje von Dewitz (VAUDE), Dieter Hallerbach (Bodan), Thomas Hoyer (DWP), Werner Böhler (Sparkasse Dornbirn), Susanne Entner (Entner-Dach Rankweil), aus Konstanz Ralph Schiel (naturblau) – aber auch die Dozentinnen Maike soppel und Annette Kleinfeld der HTWG Konstanz und die Künstlerin Susanne Hackenbracht aus Wald.

Auch wenn ich hier die positiven Beispiel aus Forschung und Lehre hervorheben möchte ist das Kooperationsmodell Bodenseehochschule mit 30 Standorten in der Region ein gegenteiliges Beispiel. Forschung und Lehre bedeutet hier vor allem Kooperationen mit der Wirtschaft, was letztlich die Deutungskraft der Wirtschaft über F&E darstellt. Durch diese Durchdringung der Universitäten mit den Wirtschaftskraft kann von Unabhängigkeit dieser keine Rede mehr sein.

In den sich verlaufenden Schlussgesprächen wurde klar, dass die Reformatoren zwar nicht mehr verbrannt werden (das gilt allerdings nicht überall auf der Welt), aber die Reformkräfte noch nicht kräftig genug sind. Immerhin stellte die Reformbewegung rund ein Sechstel der TeilnehmerInnen und viele der anderen Anwesenden werden auch nicht auf die Hochglanzbroschüren reinfallen, aber noch hören und reden sie die selben Worte wie die Wirtschaftsmacht.

Damit ist der Impuls von Jan Hus 600 Jahre nach seinem Tod noch spürbar. Doch ich will keine weiteren 600 Jahre warten. Solange werden wir keine Zeit mehr haben. Die Krisen fordern uns auf zu handeln. Das Forum war ein wichtiger Schritt, dass sich die Gemeinwohlakteure näherkamen: 5 Regionalgruppen, rund 40 Betriebe und viele Unterstützer arbeiten an einer Gemeinwohlmodellregion Bodensee. Das wird sich intensivieren und verdichten. Bis sich die Richtung unserer Wirtschaft zum Gemeinwohl hin wendet.

Informationen auch auf www.ecogood.org und dort bei den regionalen Energiefeldern.

Dieter Koschek

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