Sperrige Wörter in Titel des neuen Buches von Vandana Shiva, das nachhaltige Lösungen für Hunger, Armut und Klimaveränderungen verspricht.
Viele Akteure der Agrarökologie – darunter Bäuer*innen, ländliche Haushalte, indigene Völker, landlose Arbeiter und Arbeiterinnen – nutzen die Agrarökologie als Instrument zur Behauptung und Verteidigung ihrer Territorien und natürlichen Ressourcen, ihrer Lebensweise und ihres biokulturellen Erbes. Beispiele dafür sind die zahlreichen Bauernorganisationen auf nationaler Ebene, vor allem in Lateinamerika, Indien und Europa. Die bekannteste ist La Via Campesina, ein globales Bündnis von 200 Millionen Bäuer*innen, dem 182 lokale und nationale Organisationen in 73 Ländern Afrikas, Asiens, Europas und Amerikas angehören. Sie setzt sich für eine nachhaltige kleinbäuerliche Landwirtschaft als Mittel zur Förderung von sozialer Gerechtigkeit und Menschenwürde ein. Sie wendet sich entschieden gegen eine konzerngesteuerte Landwirtschaft, die Mensch und Natur zerstört. Deutschland ist 2023 der Weltweiten Koalition für Agrarökologie beigetreten.
Vandana Shiva hat extra eine Vorbemerkung zu ihrem neuen Buch geschrieben, um diese Begriffe zu klären: „Regenerative Landwirtschaft ist biologisch, und biologische Landwirtschaft ist regenerativ. Es sind unterschiedliche Bezeichnungen für dieselben ökologischen Prozesse, die nach den ökologischen Gesetzen der Natur arbeiten.
Die Natur und die Erde sind lebendig. Pflanzen und Tiere sind empfindungsfähige, intelligente, schöpferische Wesen, die sich in Symbiose in Ökosystemen dynamisch weiterentwickeln. Da der lebendige Boden, das lebendige Saatgut und die Tiere generativ sind, bedeutet die Ko-Kreation mit den generativen Kräften der biologischen Vielfalt, des lebendigen Saatguts und des lebenden Bodens Regeneration. Auch der biologische Landbau arbeitet mit den lebendigen ökologischen Prozessen der Natur und der lebendigen Erde.“
Und das „echte“ hat der Verlag in den Titel einfügt, um sich vom Greenwashing der Chemiekonzerne zu distanzieren, die versuchen, den Begriff »regenerativ« für sich zu vereinnahmen, als Betreiber einer industriellen Landwirtschaft, die sich nun »regenerative Landwirtschaft« nennt. Zum Beispiel https://www.syngentagroup.com/de/regenerative-landwirtschaft). Syngentas Pseudo-»Regenerativ« betreibt immer noch die Chemisierung der Landwirtschaft, jetzt im Namen von Digitalisierung und Präzision.
Vandana Shiva zeigt beispielhaft mit ihrer Organisation ‘Navdanya’ auf, wie völlig degradierter Boden einer Eukalyptusfarm in einen lebendigen Biogarten verwandelt wurde, Landwirtschaft kann nur dann als regenerativ bezeichnet werden, wenn aus toten Böden fruchtbare Erde wird. Und das geht halt nur ohne Kunstdünger und Pestizide.
Doch wie schaffen wir es, alle Menschen gesund und ausreichend zu ernähren und dabei auch das Klima zu schonen und den Planeten zu heilen? Vandana Shiva zeigt u.a. verblüffend einfache Methoden. Dabei greift die Autorin neben vielen anderen Quellen, Studien und Fachliteratur auch auf eigene Forschungsergebnisse zurück, die sie mit ihrer 1991 gegründeten Organisation Navdanya in jahrelangen Feldversuchen gesammelt hat. Die praxisorientierten Methoden bieten wirksame und nachhaltige Alternativen zur agrarindustriellen Herangehensweise. Einige Beispiele dazu:
Versuche des Rodale Institute in den USA zum No-Till-Verfahren, bei dem der Boden wenig oder gar nicht gepflügt und somit Bodenorganismen nicht gestört wurden, zeigten biologische Erträge von 10,76 Tonnen pro Hektar, verglichen mit dem Landesdurchschnitt von 8,74 Tonnen pro Hektar.
In einem 2000 im Guardian veröffentlichten Artikel berichtete Professor George Monbiot, dass bei Versuchen im Vereinigten Königreich Weizen, der mit tierischem Dung angebaut wurde, in den letzten 150 Jahren durchweg höhere Erträge lieferte als Weizen, der mit chemischem Dünger angebaut wurde.
Von der Landwirtschaftsuniversität Tamil Nadu durchgeführte Versuche zur Paired-Row-Technik, bei der beide Seiten der Ackerfurche bepflanzt werden, wodurch eine Furche zwei Reihen gleichzeitig bewässert, ergaben ca. 20% Wasserersparnis und 15% Steigerung der Ernteerträge.
Der größte Teil der weltweiten landwirtschaftlichen Produktion wird nach wie vor von Bäuer*innen
oder traditionellen Kleinbäuer*innen erzeugt. Diese Leistung erbringen sie auf nur auf 25 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche, auf Parzellen von durchschnittlich 2,2 Hektar. Die verbleibenden drei Viertel der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche sind im Besitz von 8 Prozent der Agrarproduzent*innen, darunter mittlere, große und sehr große Landbesitzer wie Eigentümer*innen von Haciendas oder Latifundien, Unternehmen und Konzerne, die in der Regel das agro-industrielle Produktionsmodell anwenden.
Soviel nur zum Thema Landwirtschaft und Ernährung. Vandana Shiva zeigt aber auch, wie eine Kreislaufwirtschaft eine Alternative zum Raubtierkapitalismus sein kann.
Dieter Koschek
Vandana Shiva
Agrarökologie und echte regenerative Landwirtschaft
Nachhaltige Lösungen für Hunger, Armut und Klimaveränderungen
448 Seiten, Neue Erde, September 2023
neueerde.de
vandana-shiva.de