Gastbeitrag von Thomas Henne
„Ich bin hier um Zukunft zu gestalten, lass die Anderen schon mal anfangen!“ Emil aus Buxtehude
Nein, das Motto des Kabarettisten Bernd Kohlhepp in der beobachtenden Figur des Emil aus Buxtehude hat sich am Samstag, den 26. Juli im GZH nicht durchgesetzt. Aber er erntete viele Lacher mit seinen nicht ganz ernst gemeinten Beiträgen. Man musste sich selbst nicht so ernst nehmen. Fantastisch. 60 Menschen haben sich auf Einladung der GWÖ Regionalgruppe Bodensee zum Bürger:innendialog getroffen und gemeinsam an Ideen für eine nachhaltige und menschenfreundliche Stadt gearbeitet. Alessendra Hensel vom Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) Baden-Württemberg und Frank Labitzke der Regionalgruppe Bodensee-Oberschwaben führten die Teilnehmenden durch die lebendige und abwechslungsreiche Veranstaltung. Da wo sogar das „Speed-Dating“ mit Mundschutz an den Arbeitstischen ungeahnten Spaß gemacht hat.
Das Format des Bürger:innendialogs ist seit 3 Jahren in Baden-Württemberg bewährt und bot nun eine zusätzliche Vernetzungsmöglichkeit Interessierter in der Gemeinwohlregion Bodensee (s.a. www.kartevonmorgen.org). In der “Karte von Morgen” werden Unternehmen und Geschäfte als Teil der Gemeinwohlregion gezeigt und mit Ihren Beiträgen zur Nachhaltigkeit bewertet. ). In Friedrichshafen trafen sich also Interessierte aus der Region mit Teilnehmenden aus Überlingen, Markdorf, dem Deggenhausertal, Tettnang und Isny – Friedrichshafen selbst natürlich auch.
An diesem Workshoptag standen Impulse zu den Nachhaltigkeitszielen und Informationen über den Ansatz der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) auf der Agenda und mündeten in rege Diskussionen und dem Abarbeiten daraus resultierender Fragestellungen: Wie lebt ein Pionierunternehmen die Werte der Nachhaltigkeit und wie lassen sich „Good Practices“ den Themenfeldern der Gemeinwohlmatrix zuordnen? Welche Bedeutung hat die GWÖ für die zukünftige Entwicklung in Gesellschaft und Wirtschaft und für das eigene Leben? Wie sollten Unternehmen gefördert und besteuert werden, die sozial-ökologische Kriterien erfüllen oder davon abweichen? Was kann die GWÖ dazu beitragen, dass Produkte und Leistungen ihren wahren Preis zeigen und die Folgen des wirtschaftlichen Handelns auf Soziales und Ökologie transparent sind? Schließlich wollen Kunden wissen was es wirklich „kostet“ und davon Ihre Kaufentscheidung abhängig machen.
Wie wäre es, wenn man als Kommune nachhaltige Kriterien an die öffentlichen Aufträge knüpft? Die Klimaziele wären erreichbar und die Welt wird eine Gerechtere. Im Grunde sind wir alle aber insbesondere die Kommunen den 17 SDG (Nachhaltigkeitsziele der UN Agenda 2030) verpflichtet. Man wird vielerlei positive Zielbeiträge zu finden, aber eben auch Nachweislücken und kritische Entwicklungen. „Höchste Zeit sich über den aktuellen Stand in der eigenen Kommune zu informieren und sich daran zu messen“, sagt Kajo Aicher aus Tettnang und fügt hinzu: „Überraschungen sind nicht ausgeschlossen!“ (siehe www.sdg-portal.de). Die Bewältigung der Klimakrise und sozialen Ungerechtigkeiten ist nicht nur die Summe einzelner Handlungen, sondern fordert einen Veränderungsprozess und eine breite Beteiligung. Ulrike Amann, Gemeinwohl-Beraterin aus Vorarlberg, hob in Ihrem Impulsvortrag zur Nachhaltigkeit in Kommunen hervor, welche Verantwortung politisch Verantwortliche mit der Beteiligung von Bürger:innen eingehen. „Die Menschen mit ihren Ideen und Beiträgen stellen einen Goldschatz dar, welches wertgeschätzt und in Entscheidungen bzw. Umsetzungen Berücksichtigung finden darf“, so Amann. „Die Erwartungen der Beteiligten sind berechtigterweise hoch und werden doch oft in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht bei der Umsetzung missachtet oder bürokratisch ausgebremst,“ so ihre Erfahrungen. Es braucht einen übergreifenden Konsens und das Vertrauen in das Miteinander, um den Weg in eine nachhaltige Zukunft erfolgreich einzuschlagen. Die Krisen der Zeit verlangen ein Jetzt, Hier und Alle, sind sich alle einig.
Die Teilnehmenden lernten dazu das „Systemischen Konsensieren“ kennen und konnten es direkt in praktischen Übungen anwenden. Diese Methode greift die Problematik von Mehrheitsentscheidungen heutiger, auf Mehrheitsbeschlüsse ausgerichteter, demokratischer Meinungsbildungsprozesse auf. Diese produzieren nämlich Gewinner und Verlierer. Dagegen ist das Systemische Konsensieren auf das Identifizieren von Widerständen ausgerichtet, deren Berücksichtigung eine hohe Akzeptanz später auch in der Umsetzung versprechen. Die Methode fragt jeden Einzelnen: Worin besteht Dein Widerstand und was brauchst Du, um der Lösung zuzustimmen. Sie ist eine Methode des Gehörtwerdens und begeisterte im Laufe des Workshoptages.
Wie geht es weiter? „Es war so viel Energie im Raum und eine Fülle von Ideen und Vorhaben zur Nachhaltigkeit, dass wir uns einfach ermutigt fühlen daran anzuknüpfen.“ erläutert Thomas Henne – eine der Initiatoren des Bürger:innendialogs in Friedrichshafen. Die GWÖ Regionalgruppe Bodensee Oberschwaben wird also die Ergebnisse aufbereiten und zu einer Nachleseveranstaltung im Laufe des 2. Halbjahrs einladen“. Dazu trifft man sich schon am 12. Juli 2021 um 19-21 Uhr (so wie üblich an jedem 2. Montag des Monats. Interessierte können sich gerne an folgende Adresse wenden: bodensee-oberschwaben@ecogood.org.
So schließt die Veranstaltung mit dem Fazit: Ein nachhaltiges Wirtschaftssystem ist möglich – GeWÖhnen wir uns daran!
Thomas Henne
Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie e.V.
– Region Bodensee-Oberschwaben –
Thomas Henne
Seeblick 38
88045 Friedrichshafen
Mobil: 0174 7958047
thomas.henne@ecogood.org
www.ecogood.org