Endlich mal gute Nachrichten

Endlich gibt es mal gute Nachrichten aus der politischen Ebene: In Baden-Württemberg wird das Biodiversitätsstärkungsgesetz  auf den Weg gebracht

korrekt  heißt es „Gesetz zur Änderung des Naturschutzgesetzes und des Landwirtschafts- und Landeskulturgesetzes“.

 

Es geht auf die Initiative „Pro Biene“ zweier Imker zurück. Diese ist also nicht in der Versenkung verschwunden sondern wurde weiter entwickelt. Das Problem lag - wie wohl meistens - im Detail. Die Imker ließen sich vom Erfolg des Volksbegehrens in Bayern inspirieren und wollten auch in Baden-Württemberg Verbesserungen herbeiführen. Gut gedacht, nur hatte Baden-Württemberg zu diesem Zeitpunkt bereits den Großteil der in Bayern geforderten Standards  im Gesetz verankert. Sie stiegen in den Forderungen daher wesentlich höher ein - was bei vielen Landwirten wiederum echte Existenzängste auslöste. Es war ein wirkliches Dilemma: jedem Umwelt- und Naturschützer ging bei den Forderungen das Herz auf - und gleichzeitig kam die große Angst, der noch in Baden-Württemberg existierenden bäuerlichen Landwirtschaft und auch der Bio-Landwirtschaft  den ungewollten Todesstoß zu versetzen.

Das Problem  kann man ganz leicht anhand des Ausbaus der ökologischen Landwirtschaft erfassen. Pro Biene forderte 50% Ökolandbau bis zum Jahr 2035.  In Baden-Württemberg gab es Ende 2018 gerade mal knappe 11 % Ökolandbau. Die Bio-Bauern hatten damit einen guten Stand auf dem bestehenden Absatzmarkt, aber letztendlich bestimmen  die Verbraucher was gekauft wird - und Produktion ohne die entsprechenden Käufer würde zu einer Abwärtsspirale führen. Die  Preise für Bioprodukte würden durch ein solch riesiges  (5-faches)  Überangebot schnell einbrechen und der bestehenden Ökolandwirtschaft würde der Boden entzogen.
Der Schaden wäre dann möglicherweise größer als der Nutzen, denn altbewährte Betriebe mit viel Erfahrung  würden möglicherweise zur Aufgabe gezwungen. Und was würde danach kommen?

 

Umwelt- und Naturschutz ist bei uns nur mit der bäuerlichen Landwirtschaft möglich, denn wir leben in einer lange gewachsenen Kulturlandschaft. Wir Naturschützer können uns den Existenznöten der Landwirte nicht einfach entziehen, wenn wir ein nachhaltiges System auf den Weg bringen wollen.
Und deshalb ist der Weg von "Pro Biene" in Baden-Württemberg eine wirkliche Erfolg-Story. Ministerpräsident Kretschmann wies das CDU-geführte Ministerium für  Landwirtschaft und das Grünen-geführte Ministerium für Umwelt an, zusammen einen gangbaren Weg zu suchen.  Ganz sicher keine einfache Aufgabe, die Vorbehalte waren riesengroß. Und doch hat es funktioniert.  Es ist auch ein Zeichen gegen die Spaltung der Gesellschaft, die heute überall  so selbstverständlich um sich greift, weil jeder sich alleine im Recht fühlt.
Das Ergebnis: Ausbau der ökologischen Landwirtschaft bis 2030 durch entsprechende Anreize auf 30-40%. Das Land schafft gute Rahmenbedingungen für die Landwirte, die nachhaltigen Verbraucher müssen ebenso noch ins Boot geholt werden.

 

Was mir sehr am Herzen liegt, das ist der erstmalige  Schutz von Streuobstbeständen. Für mich als Naturschützerin hätte er ruhig noch "mehr" sein können, denn wie viele Streuobstflächen haben wir in den letzten Jahrzehnten schon verloren! Und Streuobst ist das "Gesicht" unserer Region, gibt es etwas Schöneres als die riesigen Birnbäume im Frühjahr, dann wenn sie blühen?  Und doch weiß ich viel zu genau:  ein Gesetz alleine wird meine geliebte Landschaft  nicht retten können.
Streuobst kann nur durch Nutzung erhalten werden. Es muss sich lohnen, die nötige  Arbeit zu tun, denn wie sollen sonst die Arbeitskräfte bezahlt werden? Es müssen neue Vermarktungskanäle gefunden und aufgebaut werden. Streuobst muss gepflegt und aktiv erhalten werden. Es müssen mehr neue Bäume gepflanzt werden um die Abgehenden zu ersetzen.
Und letztendlich: Streuobst-Produkte müssen vom Käufer angefragt und gekauft werden. Sie müssen mehr wertgeschätzt werden. Es ist ein langer Weg und wir haben nicht mehr viel Zeit.
Das Gesetz macht den Anfang, den Rest müssen wir als mündige und  informierte Verbraucher erledigen.

Der wohl wichtigste Aspekt des Gesetzes ist die deutlich aufgezeigte Verantwortung der Gemeinschaft  für den Erhalt der biologischen Vielfalt.
Mit ihren grünen Kreuzen auf den Äckern wollten die Landwirte uns letztes Jahr darauf aufmerksam machen, dass Ihnen der Schwarze Peter untergeschoben wird, obwohl zum Gelingen doch Jeder seinen Teil beitragen muss.
Und deshalb wird im Gesetz nicht nur die Landwirtschaft sondern Jeder Einzelne in die Pflicht genommen. Sowohl Kommunen wie auch Privatleute müssen ihre Außenanlagen und Parks künftig insekten-freundlich bewirtschaften.

 

Jeder muss im Rahmen seiner Möglichkeiten dazu beitragen, dass unsere Lebensbedingungen stimmen. Jeder trägt täglich seine ganz persönliche Verantwortung. Und das ist es doch, was im Grunde eine gute Gemeinschaft  ausmacht: Wir übernehmen  Verantwortung - für uns selbst und für unseren Anteil am großen Ganzen.