Nachtrag »wirundjetz«t an der ZU – Vortrag von Niko Paech

Hallo da draußen,
hallo im Namen von wirundjetzt aber auch von meiner Seite. Ich (Lukas) habe vor, euch in nächster Zeit immer wieder mit persönlichen und natürlich auch wirundjetzt Themen zu versorgen. Heute gibt es einen Nachtrag vom gestrigen Abend an der Z(eppelin)U(niversität) in Friedrichshafen, bei dem wir mit einem Infostand vertreten waren.

An der ZU finden im Rahmen der BürgerUniversität immer wieder Vorträge und Gespräche statt, dieses Mal war das Thema: „Nachhaltige Unternehmen in einer Postwachstumsökonomie“, Vertreten durch Dr. Ulrich Dohle und Prof. Dr. Niko Paech.

Herr Dohle ist Vorstandsvorsitzender der Rolls Royce Power Systems AG (ehemals Tognum), in Friedrichshafen Niko Paech lehrt an der Universität Oldenburg, er hat dort den Lehrstuhl für Produktion und Umwelt inne oder: er beschäftigt sich mit Postwachstumsökonomie.

Ich habe Niko Paech letztes Jahr bei einem Vortrag in Ravensburg schon einmal gehört und seitdem bin ich von seiner Idee einer zukünftigen Lebens- und Wirtschaftsweise begeistert. Beim gestrigen Vortrag hat er uns mit verschiedenen Fragestellungen konfrontiert, warum es seiner Meinung nach nicht weitergehen kann, wie bisher.
1. Wir haben „peak everything“ erreicht, was bedeutet, dass wir nur für Öl, sondern auch bei seltenen Erden und anderen für die Wirtschaft wichtigen Ressourcen, das Fördermaximum bereits überschritten haben.
2. Das psychische Wachstum von teilen der Gesellschaft ist erschöpft, was sich am wachsenden Konsum von Psychopharmaka wiederspiegelt.
3. Wachstum als Sozialpolitik ist gescheitert. In den entwickelten Ländern mit nahezu Vollbeschäftigung gibt es immer noch Armut und Menschen die am Existenzminimum leben – eine Änderung ist nicht absehbar.
4. Finanzkrisen werden durch Wachstum hervorgerufen und hier ist das Ende ebenfalls nicht abzusehen.
5. auch sogenanntes grünes Wachstum ist kein Ausweg – kurz zusammengefasst haben wir es mit einer Reihe von Problemen zu tun: unsere Ressourcen schwinden, die Finanzwelt ist wackelig wie nie, die sozialen Strukturen sind fragwürdig und das Klima, unsere Ecosphäre wird durch unsere Wachstumsbemühungen (hier ist das Wachstum im Sinne des BIP gemeint) immerzu geschädigt.

Um wirklichen Klimaschutz zu betreiben (und uns Umweltverträglich zu verhalten) müssen wir unseren CO2-Ausstoß verringern von ca. 11t p.P./a (Tonnen pro Person und Jahr) auf 2-3t p.P./a. Gleichzeitig gibt es viele aufstrebende Nationen in Afrika und Asien, denen wir Wachstum nicht verbieten können und die ihren CO2-Ausstoß erhöhen werden, wünschenswerter Weise bis an die Klimaverträgliche Grenze von 2-3t p.P./a. Unsere in Deutschland praktizierte Energiewende kann hier leider nicht als Vorbild dienen, da unser Primärenergiebedarf derzeit nur zu ca. 11% mit „grünen“ Energien gedeckt wird (der Rest teilt sich zu ähnlichen Teilen in Öl, Gas und Kohle sowie etwas weniger Kernenergie auf). Ein rasanter Anstieg an erneuerbaren Energien ist Paechs Meinung nach nicht zu erwarten, da die meisten Quellen für grüne Energie schon erschlossen sind, und weitere erschließbare Standorte für Wind-, Photovoltaik- und Wasserkraftwerke auf immer größeren Widerstand in der Bevölkerung treffen werden.

Um die Klimaziele wirklich zu erreichen schlägt er uns sein Postwachstumsmodell vor. Dieses Modell fußt auf mehreren Stützen, zum einen ein reduktiver Lebensstil – also Konsumverzicht als Befreiung, Gemeinschaftsnutzung statt Alleinbesitz, möglichst geringer Rohstoff- und Energieeinsatz (Suffizienz). Zum anderen eine andere Lebens- und Arbeitsgestaltung. Paech hält an der 40 Stunden Woche fest, jedoch sollten nach seinem Konzept nur 20 Stunden hiervon in der Industrie geleistet werden, die verbleibenden 20 Stunden im persönlichen Umfeld. Selbstversorgung, Eigenproduktion, Reparaturen und Nachbarschaftsdienste stehen hier im Fokus (Subsistenz). So verringert sich der CO2-Fußabdruck und handwerkliche Fähigkeiten gewinnen an Bedeutung, je lokaler produziert wird, desto geringer ist auch der dafür notwendige Kapitaleinsatz.

Nachfolgend hat Ulrich Dohle aufgezeigt, wie in einem global agierendem Unternehmen Nachhaltigkeitskonzepte gesehen und gelebt werden. Rolls Royce Power Systems (RRPS) produziert und entwickelt hauptsächlich große Dieselmotoren für Schiffe, Bahnen und zur Stromerzeugung. Technologieführerschaft, Wachstum und Kundenzufriedenheit sind für RRPS die Hauptziele für eine erfolgreiche Zukunft. Für das eintreten von Energie- bzw. Ölkrisen gibt es verschiedene Szenarien und Pläne, z.B. effiziente Gasmotoren und die Möglichkeit Wasserstoff als Kraftstoff zu nutzen. Andere Aspekte sind die Reparaturfreundlichkeit der Motoren und die damit mögliche Lebensdauerverlängerung, dies wird bereits in einem Werk in Deutschland umgesetzt, wo alte Motoren generalüberholt werden. RRPS versorgt unteranderem seine Produktionsstätten mit selbst erzeugter Wärme und Strom und ist auf der Suche nach Energiesparpotentialen z.B. bei der Beleuchtung.

Das ein großer Konzern die teilweise radikal anmutenden Wachstumsgedanken von Niko Paech nicht 1:1 umsetzt ist denke ich nachvollziehbar, dass aber auch große Industriebetriebe immer mehr dazu übergehen – wenn teilweise auch nur aufgrund von Kostendruck – Energie nachhaltiger einzusetzen, setzt doch deutliche Zeichen. Wenn wir uns als Bürger zusammen tun und unseren Beitrag leisten, dann wird Niko Paechs Modell vielleicht von innen heraus unser bisheriges System verändern. Zum Abschluss möchte ich zwei Passagen aus der anschließenden Podiumsdiskussion aufgreifen. Wer sich nämlich jetzt die Frage stellt warum er/sie seinen/ihren bisherigen Weg verlassen soll, sagt Niko Paech: Glück wächst nicht proportional mit materiellem Reichtum, ab einem bestimmten Punkt wird man nicht glücklicher nur weil man mehr Geld hat. Und weiter empfiehlt er uns dort anzufangen, man steht – ohne auf andere zu warten.