Ein Erfahrungsbericht von Laura S.
Vom 01. Bis zum 03. November hat in der Lindauer Inselhalle die Mitmach-Konferenz des Nachhaltigkeitsnetzwerks „wirundjetzt e.V.“ stattgefunden. Ich war live mit dabei und möchte im Folgenden über meine Erfahrungen berichten.
Das Erfreuliche und Ermutigende an den Entwicklungen unserer Zeit ist neben all der Destruktivität und Zerstörung, die sich vielerorten ereignen, das Erstarken vielfältiger Gegenbewegungen, welche das Wohl der Menschen und ihres Planeten in den Fokus rückt und mithilfe zahlreicher Projekte den sich abzeichnenden Wandel in Gesellschaft, Wirtschaft, Politik begleitet, fördert, unterstütz und initiiert.
Nachhaltigkeit, Gemeinwohl, Gerechtigkeit, Freiheit. Dies sind streitbare Begriffe und in ihrer Definition flexibel und nicht immer eindeutig. Dennoch scheinen sich sowohl Teilnehmer als auch Veranstalter bei aller Deutungsschwierigkeit auf den kleinsten gemeinsamen Nenner (mit Verlaub, sei auch dies als subjektive Betrachtung der Gegebenheiten zu bewerten) Wertschätzung geeinigt zu haben. Wertschätzung für die menschlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Ressourcen unserer Welt und unserer globalen Gemeinschaft. Demnach lässt sich auch das Angebot der Vorträge und Workshops der Mitmach-Konferenz in die zentralen Bereiche Wirtschaft, Politik und Partizipation, Soziales und Kommunikation, Ökologie sowie Spiritualität und Achtsamkeit einordnen.
Ich selbst interessiere mich seit geraumer Zeit unter anderem für das Thema Bedingungsloses Grundeinkommen. Und weil ich mich bereits intensiv damit auseinandergesetzt habe und diese Idee nach wie vor unerschütterlich vertrete, lag es für mich auf der Hand auch die entsprechenden Angebote anzunehmen. So durfte ich mit der Spieleautorin Alina Komar und anderen Interessierten das von ihr entwickelte Brettspiel zum Grundeinkommen kennenlernen und ausprobieren. Zudem hat Helwig Fenner von mein-grundeinkommen aus Berlin – ein Verein, der sich über Crowd Funding finanziert und regelmäßig Grundeinkommen verlost – in seinem Workshop ein Argumentetraining für das Grundeinkommen angeboten und es uns Teilnehmern ermöglicht, verschiedene Betrachtungsweisen zu formulieren und neu kennenzulernen. Nebenbei hat mein-grundeinkommen auf dem parallel stattfindenden Heldenmarkt, der Messe für nachhaltigen und fairen Konsum, am Sonntag auch mehrere Grundeinkommen live verlost. Einen Gewinner gab es an dem Tag Vorort meines Wissens jedoch leider nicht.
Als sehr inspirierend habe ich die Einführung Lisa Praegs zum Thema Soziokratie und offene Wahl empfunden. Soziokratie bedeute „wir regieren gemeinsam“ und folgt einem Ansatz, der Diversität als Chance begreift und das Individuum berücksichtigt und in seiner Souveränität stärken möchte. Die offene Wahl als Teil des Entscheidungsprozesses benennt den sich zur Wahl stellenden oder vorgeschlagenen Akteur und seine jeweilige Rolle explizit und fokussiert auf Authentizität und Transparenz. Lisa Praeg arbeitet mit Firmen, Organisationen und Teams, die sich alternativen Abstimmungsverfahren öffnen möchten und bei der Implementierung neuer Ideen Anleitung brauchen. Auf der Mikroebene lasse sich das Konzept bereits gut umsetzen, wohingegen die Frage nach dem Möglichen in metastrukturellen Organisationseinheiten wie auf Landes- und Bundesebene weiteren Diskussionsbedarf offenlegte.
Nicht minder anregend gestaltete sich der Impulsvortrag der Regionalgruppe Bodensee von Cradle to Cradle. Von der Wiege zur Wiege lautet das Konzept, welches von dem Chemiker Michael Braungart und dem Architekten William McDonough entwickelt wurde. Dieser Ansatz sieht vor, Gebrauchsgüter und Produkte in eine Kreislaufwirtschaft einzubinden und sie so zu konstruieren und zu produzieren, dass ihre Bestandteile entweder in einem biologischen Kreislauf natürlicherweise zerfallen oder im Rahmen eines technischen Zyklus wiederverwertet werden können. Die Umstellung auf Cradle to Cradle bedeutete einen fundamentalen Wandel unseres derzeitigen Wirtschaftssystems, dem – wie allem anderen auch – sowohl ein umfassenderes Bewusstsein als auch eine Neubewertung unserer eigentlichen Bedürfnisse vorausgehen muss. Dass dies bereits im Ansatz - und vielleicht auch schon darüber hinaus - manifest wird, konnte ich auf der Mitmach-Konferenz bezeugen. Es ist schön zu beobachten, dass sich Menschen verschiedenster Hintergründe zusammenfinden und sich gemeinsam den vielfältigen Herausforderungen unserer Zeit stellen möchten, um proaktiv an der Zukunftsfähigkeit des Großen Ganzen mitzuwirken. Auch mich hat die Teilnahme an der Konferenz und der unmittelbare Kontakt zu Gleichgesinnten in meinem Wunsch bestärkt mich mit meinen Fähigkeiten einzubringen.
Ein Themenschwerpunkt, der auf der Konferenz im Rahmen der Präsentation von Wolfgang Blüher zum neuen Mobilfunkstandard 5G zwar ansatzweise vorhanden war, aber für mein Dafürhalten noch erweitert werden sollte, bezieht sich auf souveräne Medienkompetenz und digitale Mündigkeit. Meiner Ansicht nach gehen wir zwar scheinbar souverän – im Sinne von alltäglicher Selbstverständlichkeit – mit den Möglichkeiten digitaler Technik um, entbehren aber eines souveränen - also in diesem Sinne politischen - Bewusstseins für einen sorgsamen Umgang mit unserer eigenen persönlichen Integrität und Selbstbestimmung in einer digital total vernetzten und manipulierbaren Welt.
Neben den hier dargestellten kurzen Ausschnitten der angebotenen Workshops und Thementische gab es zahlreiche andere verschiedenster Schwerpunkte. Von besonderer Prominenz schien mir alles zum Thema alternative Geld- und Wirtschaftssysteme. Möglicherweise auch, weil sich hier der grundlegende Nährboden etwaiger Probleme unserer Zeit verorten ließe?
Nichtsdestotrotz hat mir die Mitmach-Konferenz Mut gemacht, Inspiration gebracht und meine Lust an der Freude zur Mitgestaltung entfacht. Ich freue mich darauf.