Bericht: Exkursion Hofgut Rimpertsweiler

Rosalinde bekommt Besuch – und das schon im Januar

„Wo kommen die denn auf einmal her?

Mal ebenso, an einem Montagnachmittag hier bei uns reingeschneit kommen. Dann können die wohl nicht von soweit her angereist sein. Ich hab’s mir gedacht: die sind aus der Region!

Von nicht weit her und trotzdem kenne ich die noch nicht. Ah doch, Sarina und Simon von „wirundjetzt“, die Beiden kenne ich schon. Und Stefan von der Regionalwert AG, den habe ich glaube ich auch schon mal gesehen. Die waren wohl schon mal hier oder mindestens haben meine Eltern mir von denen erzählt, dass die hier bei uns Rimpis etwas Neues auf die Beine stellen wollen. Also hier bei uns ist ja schon eine ganze Menge los, aber das soll wohl noch mehr werden in den nächsten Jahren. Ich habe da etwas hier im Rimpi-Ziegenfunk gehört. Den kennt ihr doch sicher alle, oder? Den Rimpi meine ich! Natürlich, das Hofgut Rimpertsweiler in Salem (Oberstenweiler). So schön hier, das muss jede und jeder kennen. Wir sind eine Hofgemeinschaft für Therapie und Landbau. Hier begegnen sich Mensch, Tier und Natur und leben und arbeiten Hand in Hand zusammen.

Und mich kennt ihr aber, oder? Ich bin Rosalinde, die Ältere von den zwei Zicklein, die erst seit wenigen Wochen hier auf dem Hof herumhüpfen. Wir Beiden, also mein Bruder Paule und ich, wir sind noch so klein und zierlich, das für uns der Zaun um die Ziegenwiese wirklich kein Hindernis ist; da schlüpfen wir einfach hindurch und erobern die Welt … na ja, vielleicht nicht gleich die Welt, … aber die Herzen der großen und kleinen Kinder!

Aber zurück zu den Menschen, die auf einmal hier vor meinem Ziegenhaus stehen.

So viel wissen wir jetzt: 20 Frauen und Männer aus der Region. Aber warum?

Ich muss wohl erstmal noch meine Begrüßungsrunde drehen: ein bisschen herumspringen, auf ein paar Füße treten, Schnürsenkel und Hosenbeine anbeißen, testen wie robust die sind. Also nicht nur die Schnürsenkel, sondern die Menschen, denn schließlich ist ja noch Winter, genauer gesagt ist heute der 24. Januar 2022. Aus irgendeinem Grund, beginnen die mit den Events sehr früh dieses Jahr. Aber das ist auch mal gut so: nicht immer erst bis Frühjahr oder Sommer warten. Die können sich ja auch mal warm anziehen und dann eine schöne Hof Tour machen.

Also das ist es: Hofbesichtigung mit Johannes Burka ist angesagt.

Das wird ein Spaß. Denn Johannes macht das richtig gut und kann super erzählen:

harte Daten und Fakten kommen ihm ebenso leicht über die Lippen, wie kleine Anekdoten und liebe Worte über Menschen und Tiere bei den Rimpis.

Und warum wollen die das alles wissen?

Die sind wohl einfach so interessiert. Oder doch ein bisschen mehr?

Die wollen sich wohl engagieren? Für die Region.

Vielleicht auch so richtig sich einsetzen und stark machen? Für Menschen und regionale Entwicklung.

Mitreden und diskutieren. Netzwerke und Kontakte knüpfen. Investieren statt spekulieren. Und das alles nachhaltig! Mit Weitblick eben!

Hey, das hört sich richtig interessant an. Da gehe ich mal näher hin und höre ein bisschen zu. Die ganze Hofrunde werde ich natürlich nicht mitgehen, denn die kenne ich ja schon aus dem Effeff. Aber die werden einige interessante Dinge hören und sehen.

Der Kuhstall ist immer ein guter Anfang:

Die ca. 150 Kühe, vom Kalb über die Mutterkuh bis hin zum Mastbullen, begrüßen die Gruppe wie immer: ganz ruhig und gechilled. Im Stall herrscht absolute Tiefenentspannung. So ein schöner warmer Stall, der täglich mit viel Liebe und frischen Heu eingestreut wird, ist ein richtiger Ort zum wohl fühlen. Das merken auch die Menschen und verteilen großzügig die extra Hand voll Heu an die Kühe, die sich ebenso interessiert wie behaglich der Gruppe zuwenden. Johannes erzählt von Mutterkuh und Mastvieh Haltung und wie innovative Methoden für noch mehr Familienglück bei den Kühen sorgen. Echt super, z. B., dass die Kälber jetzt auch mit den anderen auf die Weide dürfen und dort von einer Mutterkuh umsorgt und gesäugt werden. So bekommen sie ein richtiges Mutter-Kind-Gefühl und müssen auch nicht nur aus der Flasche trinken. Hofeigenes Futter ist angesagt; satt grüne Weiden und Wiesen und im Winter immer mehr Heu als Grassilage. Natürlicher Auslauf auf der Weide, lustige Spielgefährten und eine liebe Mama und das Ganze für mehrere Monate. Da geht’s den Kühen und Kälbern genau so gut wie mir.

An der großen Scheune und den Schweinchen im Matsch vorbei gehen die natürlich dorthin wo es so richtig gut duftet und eigentlich immer ein warmes Plätzchen zu finden ist. Auch wenn der Backofen jetzt im Moment nicht heiß ist, ist die Backstube natürlich immer ein Anziehungspunkt. Nicht nur jedes Kind weiß wohl: hier ist es warm, trocken und es gibt immer lecker Brot und Kuchen. Oder doch nicht immer? Johannes sagt, die backen meist in der Nacht, wenn die anderen alle schlafen. Am Tage muss aber allerhand vorbereitet werden und bereits am Abend geht’s dann richtig los. Die müssen sich richtig ranhalten, die Bäckerinnen und Bäcker und können doch nicht alle zusammenarbeiten. Leider ist die Backstube so klein, dass die Bäckerjungs und Mädels sich aufteilen müssen, denn alle gleichzeitig haben keinen Platz. Jetzt im Moment ist eine junge Bäckerin zu sehen, die bestimmt schon die ersten Teige macht, oder doch vielleicht ein paar Kuchen bäckt? Wir wissen es nicht; aber allein die Vorstellung, dass hier Nacht für Nacht die leckeren Rimpi Brote und Kuchen gebacken werden, lässt mir immer wieder das Wasser in den Mund schießen. Und das, wo ich als Ziegenkind ja sonst nur Gras und so bekomme. [oder: eher Gras liebe]

Für die Bäckerei gibt es große Pläne:

Ein Backhaus soll gebaucht werden mit deutlich mehr Platz. Dort auf der Wiese, etwas den Hügel hinauf soll es stehen. Und der Hofladen soll dort auch in neuem Licht erstrahlen. So ein richtiger Ort für Genuss wird wohl entstehen. Leider wird es noch einige Zeit dauern, denn es müssen viele Leute miteinander sprechen und sich einig werden und natürlich auch einiger Papierkram erledigt werden. Aber dann geht’s richtig ab! Vielleicht schon ab 2023?!

Das übrigens ist genau das, worum es geht: wenn viele Menschen aus der Region sich zusammenschließen und gemeinsam sinnvoll und nachhaltig investieren, dann kann so ein Projekt finanziert und umgesetzt werden. Ganz einfach, Regionalwert schaffen!

Vorbei an zwei netten jungen Männern, die fleißig Rote Beete sortieren geht es zur nächsten Station. Rote Beete ist übrigens eine der drei Hauptfeldfrüchte bei den Rimpis. Diese leckeren Knollen, finden die Menschen dann auf den drei Wochenmärkten (Markdorf, Friedrichshafen und Überlingen) und Bioläden in der Bodenseeregion und natürlich im Hofladen auf dem Hofgut; dort gibt es auch das leckere Brot und die anderen Hofleckereien. Und wer nicht warten möchte bis der Hofladen am Freitag und Samstag öffnet, der kommt einfach 24/7 zum Regiomaten, der steht nämlich direkt nordöstlich von meiner Ziegenhütte, nur ca. 20 Meter oder so.

Also jetzt aber zur nächsten Station: Hackschnitzel!

Wie bitte? Ich kenne nur Wienerschnitzel und das ist zum Glück aus dem Rind und nicht aus der Ziege geschnitten.

Hackschnitzel? Ach so, die aus Holz. Genauer gesagt, alles aus Hecken, die auf und ringsherum um den Hof wachsen. Eine riesen Menge, die hier liegt. Und dieser Lagerplatz wird sogar bis zu zwei Mal im Jahr gefüllt. Die Schnitzel werden dann für allerlei Zwecke rund um das Thema Energie genutzt. So ist jedenfalls der Plan. Es gibt viele Möglichkeiten aus Holz Energie zu gewinnen und die Experten von Rimpi gemeinsam mit einigen anderen Profis machen sich so ihre Gedanken, wie das in Zukunft noch effizienter erfolgen kann. Nur um mal ein Ziel zu nennen, sagt Johannes, dass Strom in Zukunft gar nicht mehr zugekauft werden sollte. Alles nur aus eigener Energieerzeugung, wie z.B. Fotovoltaik, BHKW und andere nachhaltige Energiequellen. Leider ist der Weg noch etwas weiter und nicht so ganz ohne kleinere Steinchen. Aktuell sind es so um die 50% des jährlichen Energiebedarfs, die eigenerzeugt sind. Und das hofeigene BHKW versorgt schon einen großen Teil der Wärme, aber eben leider noch mit Erdgas. Wäre super, wenn auch das in Zukunft mit Energie aus Holz oder ähnlichen regenerativen Energieträgern erfolgen würde. Und hier kommt wieder die regionale Wertschöpfung durch sinnvolle und gemeinschaftliche Initiativen und Investitionen ins Spiel. Ihr seht schon, der rote Faden wird immer dicker! Das hat auch sogleich der nette Herr mit dem weisen Bart erkannt. Er hat sich gleich angeboten als Energieberater bei ingenieurtechnischen Fragen uns Rimpis zur Seite zu stehen. Das finde ich super! So entstehen regionale Netzwerke.

Und nach den Hackschnitzeln geht’s endlich ins Warme.

Na ja, wenigstens etwas wärmer. Im Gewächshaus läuft das Gebläse und pustet die Wärme aus dem BHKW in die Folienhallen. Bis hierher haben die Damen und Herren nun doch leicht das Frösteln angefangen, auch wenn es natürlich niemand zugeben würde; und doch werden einige der Woll- und Pudelmützen vom Kopf gezogen und die Reisverschlüsse der Jacken werden vorsichtig geöffnet.

Überrascht sind alle von der gähnenden Leere im Gewächshaus. Eigentlich sollten hier doch Zucchini, Aubergine, und Co. wachsen und gedeihen. Aber hier kann Johannes natürlich die Erwartungen besänftigen. Es ist noch Phase der Jungpflanzen Anzucht. Das heißt, die Besucher sehen viele kleine Sprösslinge vor sich auf den Tischen, die eines Tages nach und nach dann ausgepflanzt werden. Und bis spätestens April wird die Hütte voll sein. Dann ist hier Jungel von Ranken und Lianen. Okay okay, das mit Jungel und Lianen ist übertrieben, denn schließlich ist ja alles wohl kultiviert und gepflegt. Hier wachsen frisch auf dem Feld und in der Gärtnerei, Petersilie, Zucchini und Rote Beete als Hauptgemüsesorten. Und damit die Felder noch bunter werden, auch Kürbisse, Tomaten, Auberginen und Zwiebeln sowie Kräuter. Ob ihr es glaubt oder nicht, bewirtschaftet Johannes mit seinem Team 10 Hektar Ackerland und 4000 m² Gewächshausfläche. Sein Team ist dabei eine sehr dynamische und lebendige Gruppe, die sich regelmäßig neu zusammenfindet, ergänzt und erweitert wird, um Menschen mit und ohne Fachausbildung, mit und ohne Bedarf einer therapeutischen Begleitung und jeder Altersgruppe. Sehr vielseitig und lebendig, ganz im Geiste der Rimpis, eine Gemeinschaft für Therapie und Landbau zu sein.

Und dann wurde es doch irgendwie auch im Gewächshaus kühl …. . Ach, das lag daran, dass Johannes das Gebläse ausgestellt hatte, um nicht fortwährend gegen den Lärm anreden zu müssen. Also gehen sie halt weiter und …. kommen zurück zu mir. Zur Ziegenwiese. Das wird auch Zeit; ihr wollt euch ja wohl nicht einfach so davonschleichen.

Eine Gesprächsrunde zum Abschluss am Regiomaten ist ein schönes Résumé des Tages: es geht um die Region und wie sich jeder Mann und jede Frau, ob groß ob klein, langfristig und mit Sinn für eine nachhaltige Entwicklung in der Region engagieren und integrieren kann. Jetzt höre ich auch immer öfter das Wort „Ökomodellregion Deggenhausertal“. Hört sich erstmal vielleicht schwierig an, aber erklärt sich dann doch auch irgendwie von selbst. Das Deggenhausertal ist hier um mich herum, so viel ist klar! Was „Öko“ bedeutet, das erkennt ihr hier auf dem Hofgut Rimpertsweiler am aller besten. Und ein „Modell“, na ganz einfach: ein vereinfachtes Abbild der Wirklichkeit oder eines idealen, anzustrebenden Zustandes; das kann eine ganze konkrete Form oder auch ein manchmal ein bisschen abstrakter sein. Also das Ziel! Da wollen wir hin: ein Deggenhausertal, in dem Menschen ökologisch denken, leben und handeln und das dadurch ein Beispiel für andere Regionen werden kann. Nicht so schwierig, oder? Dabei muss es wohl auch nicht immer um monetäre Beteiligung und Initiative gehen; das ist den Damen und Herren heute wohl deutlich geworden.

Wenn ich das durch meine noch kindlichen Ziegenaugen nun einmal beurteilen darf, dann war das eine richtig schöne Veranstaltung hier und heute. So früh im Jahr gleich eine Gruppe fröhlicher und netter Menschen hier zu begrüßen, das lässt auf viel Gutes im Jahr hoffen.

Und wenn ihr nun über diese Ideen und Initiativen noch mehr erfahren und lesen möchtet und darüber, wie das mit dem Netzwerken und Investieren in der Region so richtig funktioniert, dann schaut mal auf die Websites von „wirundjetzt“ und „Regionalwert AG Bodensee-Oberschwaben“. Die vielen Infos und Ideen die ihr dort findet, kann ich euch hier gar nicht alle aufzählen.

Natürlich bitte auch nicht vergessen bei den Rimpis mal online und im realen Leben vorbeizuschauen  – z.B. ab Frühling macht das Hofcafe wieder auf!

Alle Informationen zum Hofgut Rimperstweiler gibt es hier:

Und die Moral von der Geschicht:

Wir Rimpi-Ziegen sind ganz sicher nicht bloß Spaß und Hobby von einer der Hofbewohnerinnen hier. Wir sind die Gatekeeper!

An uns kommt niemand vorbei, ohne das Kleidung und Schuhwerk auf Tauglichkeit geprüft werden. Außerdem sind einige meiner Freundinnen und Freunde von höherem Geschlecht: die Tauernschecken. Und wer meint, er oder sie könnte uns einfach so an den Hörnern packen oder gar als Hauptgang zum nächsten Barbecue einplanen, dem werden Paule und ich schon was erzählen.

Kommt einfach vorbei und spielt mit uns: ob Hof Café, Hoffest oder Hoffrühstück. Einfach Hofgut Rimpertsweiler!“

Eure Rosalinde

Der Bericht wurde geschrieben von

Matthias Hermjakob

 

Weitere Informationen über das Projekt „ Ökomodellregion Deggenhausertal“ finden Sie auf unserer Webseite.

Das Projekt wird gefördert von dem Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) und ist Teil des Projektes „Gemeinsam Schaffen“